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Wahrscheinlich ergeht es Ihnen wie vielen Toskana-Fans, erstes Ziel Florenz und dann weiter, entweder ins Chianti oder zum Meer. Sehr oft waren das auch meine Sehnsuchtsziele und Tipps, bis ich einmal an Florenz vorbei nach Arezzo fuhr. Es war Liebe auf den ersten Blick. Arezzo ist ein echtes Juwel, eine zauberhafte Stadt bewohnt und belebt von den Aretini, wie die Einheimischen heißen, keine Flanierstadt für Touristen. Die Stadt ist eine sympathische Mischung aus Kunst, Kultur, Handwerk, Handel, Tourismus und ansteckender Lebensfreude.
Obwohl die historische Vergangenheit allgegenwärtig, ist Arezzo eine quicklebendige Stadt in der Toskana, geprägt von jungen, dynamischen, geschäftstüchtigen Menschen. Die prachtvollen Palazzi, prunkvollen Kirchen und das grandiose architektonische Ensemble der Piazza Grande zeigen aber deutlich, dass die Stadt auch in längst vergangenen Zeiten wohlhabend war. Bereits 750 v. Chr. gehörte Arezzo zum Zwölfstädtebund der Etrusker und sie waren es auch, die den Grundstein legten für das noch heute so wichtige Business, die Metallverarbeitung.
Arezzo ist die Schmuckstadt, das merkt man bei einem Bummel durch die hübschen Gassen, in welchen sich ein Schmuckgeschäft an das andere reiht. Man sagt, dass Italiener, die etwas auf sich halten, ihre Eheringe in Arezzo kaufen. Nach den Etruskern prägten die Römer die Stadt und es erblühte neben der Metallverarbeitung auch das Töpferhandwerk. Die Arentiner-Vasen erlangten im weiten Umkreis Berühmtheit. Nach vielen weiteren bewegten Jahrhunderten mit Kriegen und Kämpfen kam Arezzo mehrere Jahrhunderte unter die Herrschaft von Florenz.
Unter Herzog Cosimo I. von Florenz entstanden die Palazzi del Popolo und del Comune sowie viele weitere faszinierende Paläste und Patrizierhäuser, die heute noch das Stadtbild prägen. Der wirtschaftliche Aufschwung wurde später unterstützt durch den Bau der Eisenbahnstrecke von Florenz nach Rom in den Jahren 1826 bis 1866. Mit diesem Blick in die Vergangenheit versteht man die Weltoffenheit der Aretini und den Charme der Stadt noch besser.
Treffpunkt Piazza Grande: der schräge, pompöse Platz ist das Herzstück des städtischen Lebens der Aretiner. Er erinnert ein wenig an den Campo in Siena, zwar nicht ganz so groß, aber dennoch wunderschön, eingerahmt von Patrizierhäusern, dem Palazzo delle Logge und der romanischen Kirche Pieve di Santa Maria Assunta. Die unterschiedlichen Baustile wirken keineswegs störend, sie verleihen der Piazza ein unvergleichliches Flair.
Es gehört zu meinem Ritual, auf diesem Platz einen aperitivo zu genießen und dabei die flanierenden Menschen beobachten, am liebsten im Vasari Café wegen der verlockenden Weinkarte. Aber egal wo Sie sich niederlassen, hier zahlt man keine hochgeputschten Touristenpreise. Anschließend spaziere ich gerne ohne festes Ziel durch diese einladenden Gassen, wo man den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt auf Schritt und Tritt spürt. Schicke Mode- und Schuhläden, zahlreiche edle Schmuckgeschäfte, Showrooms mit Antiquitäten, witzige Bars, verlockende Pasticcerie, lässige Enoteche und feine Ristoranti laden zum Shopping und zum dolce far niente ein.
Bei aller Einkaufslaune sollte man jedoch bei den Tipps keinesfalls die beeindruckenden Kulturplätze Arezzos vergessen. Sehenswert ist die Basilica San Francesco, deren schlichtes Äußere kaum vermuten lässt, welche Schönheit sich im Innern verbirgt. Es sind die einzigartigen Chorfresken von Piero della Francesca, ein genialer Künstler der Frührenaissance, der 1415 ein wenig außerhalb von Arezzo, in Borgo Sansepolcro geboren wurde. Nebenbei bemerkt, unweit der Kirche befindet sich die traditionelle Osteria dell´Agania, wo seit den 50iger Jahren die Gäste mit typisch toskanischer, schmackhafter Hausmannsküche und guten Weinen der Region verwöhnt werden.
Eine bedeutende, kulturelle Rolle der Stadtgeschichte spielt Giorgio Vasari, der 1511 in Arezzo das Licht der Welt erblickte und als hoch geschätzter Architekt in die Geschichte einging. Nach vielen Jahren in Florenz, wo er unter anderem die Ponte di S.Trinita, eine der schönsten Brücken Europas entwarf, übernahm Vasari einige Bauaufträge in seiner Heimatstadt. 1540 erwarb er die Casa Vasari und gestaltete die Räume, die heute als Museum zu besichtigen sind.
Bemerkenswert sind jedoch nicht nur die Künstler von anno dazumal. Berühmtheit in der Jetztzeit erreichte auch der namhafte Regisseur und Schauspieler, Roberto Benigni, der 1952 in der Nähe der Stadt geboren wurde. Benigni führte Regie in zahlreichen Filmen mit internationalen Schauspielern, darunter die Neuverfilmung von Pinocchio im Jahre 2002, in der er auch die Hauptrolle spielte. In Italien ist er zudem bekannt für seine zeitkritischen Äußerungen.
Weltberühmt wurde Roberto Benigni durch seine mit Preisen überhäufte Tragigkomödie La Vita é bella (Das Leben ist schön). 1997 erhielt der Film drei Oscars und 1999 den begehrten Chlotrudis Award für beste Regie. Gedreht wurde in Arezzo, an den Drehplätzen kann man die jeweilige Szene auf Informationstafeln nachlesen. Folgt man diesen Filmwegweisern, lernt man die reizende Stadt auf besonders unterhaltsame Weise kennen.
Zweimal im Jahr ist in der Stadt so richtig was los: am vorletzten Samstag im Juni die nächtliche Giostra di San Donato und am ersten Sonntag im September die tagsüber stattfindende Giostra della Madonna del Conforto. Beide Feste haben ihren Ursprung im Mittelalter und keiner der Einwohner lässt sich diese Spektakel entgehen.
Die Arentini sind bekannt dafür, dass sie gerne feiern und eines ihrer beliebtesten Sprichwörter trifft den Nagel auf den Kopf: „Chi mangia solo crepa solo, chi mangia in compagnia, vive in allegria“ was so viel bedeutet wie „Wer alleine isst, stirbt allein, wer in Gesellschaft isst, lebt in Fröhlichkeit.“
Wer es nicht schafft, zu diesen Festzeiten in Arezzo zu sein, dem sei das Museo Giostra del Saracino empfohlen, das täglich von 10.30 bis 13.30 Uhr und von 16.30 bis 19.30 Uhr geöffnet ist. Dort kann man die farbenprächtigen Kostüme der Teilnehmer bestaunen und dank moderner Technik viele weitere Details virtuell erleben. In einem weiteren Ausstellungsraum ermöglicht ein 270 Grad Video den Besuchern die Giostra so zu erleben, als wäre man mit dabei. Ein beeindruckendes Museum, das sich lohnt zu besuchen.
Tipps in Arezzo
Giostra del Saracino – Via della Bicchieraia 26
Vasari Café – Piazza Grande 14/15
Antica Osteria l’Agania – Via Mazzini 10
Weitere Adressen und Tipps für ArezzoMonika Kellermann
Wein & Genuss – Autorin
Monika Kellermann schreibt nicht nur seit vielen Jahren in Artikeln und Büchern über Wein und Genuss. Die Autorin ist auch Expertin für italienischen Lebensstil und kennt die Region rund um den Gardasee besonders gut, da sie dort neben München ihre zweite Heimat gefunden hat.
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