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Der Schuhmacher, der die Frauen verstehen lernte

Tipp Florenz Ferragamo

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Bei der Recherche für diesen Text bin ich auf einen Artikel der FAZ gestoßen, der Wanda Ferragamo portraitiert. Darin wird die einstige Firmenchefin und Ehefrau von Gründer Salvatore zitiert: „Ich habe wirklich etwas gegen so manche Moden. Vieles ist so vulgär. Die Schuhe sind oft klobig, die Damen mit viel Schmuck behängt. Die Frauen verlieren an Würde, wenn sie übertreiben.“

Die Formulierung blieb mir im Gedächtnis. Das Modehaus Ferragamo steht für Visionen und für den Mut, etwas Neues zu wagen. Mode abseits des Mainstreams tut für mich dasselbe. Mode muss von Zeit zu Zeit übertreiben oder vulgär sein. Es war also Irritation, weshalb ich an dem Zitat von Wanda Ferragamo hängen blieb und es war die Geschichte des Modehauses, die mir half, diese Irritation aufzulösen.

Salvatore Ferragamo’s Schuhmacher-Karriere beginnt beeindruckend früh. Bereits mit neun Jahren geht Salvatore in die Lehre. Zwar lag das gängige Alter für Berufseinsteiger Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich unter dem Heutigen – aber als der zwölfjährige Salvatore sich selbstständig macht, wird er belächelt. Mit sechzehn verlässt er die Toskana und zieht nach Amerika, wie viele damals, mit einem großen Traum im Gepäck.

Die großen Schuhfabriken in den Staaten waren jedoch das Gegenteil von dem, was Salvatore unter seinem Handwerk verstand. Durch seinen Bruder Alfonso, der die Anzüge der Schauspieler der „American Film Company“ bügelte, kam er in Kontakt mit dem Kostümausstatter des Unternehmens. Dieser klagte über das schlechte Schuhwerk der Darsteller und bald waren die ersten maßgefertigten Ferragamo Schuhe auf den Kinoleinwänden zu sehen.

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Maßgefertigtes Schuhhandwerk war in Amerika eine Seltenheit und der junge Schuhmacher wurde bald für seine Fertigkeiten bekannt. Im Laufe seines Lebens sammelten sich in Ferragamos Kundenkartei die Namen aller großen Mode-Ikonen seiner Zeit: Angefangen bei Marlene Dietrich, Gloria Swanson, Greta Garbo, Sophia Loren, Brigitte Bardot, Marilyn Monroe oder Audrey Hepburn. Dabei praktizierte der italienische Schuhmacher von Anfang an nicht nur eine andere Vorstellung von Handwerk: Er befasste sich mit den Wünschen seiner Kundinnen. Nur wenige Jahre zuvor hatte Coco Chanel mit ihrer vergleichsweise funktionellen Damenmode revolutionäre Arbeit geleistet. Schlicht und Bequem widersprach der Etikette und stand für Emanzipierung und das Selbstbewusstsein einer eigenständigen Frau.

Salvatore erkannte diese Bedürfnisse und studierte neben seiner Arbeit in Los Angeles Anatomie, Chemie und Mathematik, um seine Schuhe zu verbessern. Er betrachtete die Füße seiner Kundinnen genau, machte die Schuhe leichter, gleichzeitig stabiler und zeigte in seinen Entwürfen auffällig viel Haut. Außerdem ließ er das Wesen der Frauen in seine Entwürfe einfließen. Audrey Hepburns Ausbildung als Ballerina inspirierte ihn zu dem gleichnamigen Schuh. Flach, filigran und mit Ausschnitt bis an die Zehen. Apropos Zehen: bis Salvatore eine Feder erfand, die den Bogen zwischen Sohle und Absatz stützte, konnte man nur geschlossene hohe Schuhe tragen, da sonst der Fuß wegrutschte. Die Sandalette war geboren.

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Doch auch andere Innovationen aus dem Hause Ferragamo prägten bereits Jahre zuvor weltweit die Mode. Als Salvatore 1927 Amerika den Rücken kehrte und nach Italien zurückging, erlebte sein Unternehmen zunächst eine schwere Zeit. Die Mussolini-Jahre und der Krieg machten Ressourcen wie Leder und Stahl rar. Salvatore hielt aber an seinem Beruf fest und entwarf 1936 aus Kork und Bast den ersten Keilabsatz. Nur zwei Jahre später trugen Frauen die sogenannten Wedges auf der ganzen Welt. In den 50ern beschäftigt das Unternehmen 700 Mitarbeiter und fertigte täglich über 350 Paar Schuhe in Handarbeit.

Als Salvatore mit nur 62 Jahren an Krebs starb, hinterließ er über 350 Patente, über die er sagte: „Einige davon werden bereits verwendet und die Zeit der anderen wird kommen, sobald die Welt erkennt, wie wunderschön die Modelle wirklich sind.“ Seine Frau Wanda tritt das Erbe als Firmenchefin an und schafft in den darauffolgenden Jahrzehnten mit den sechs gemeinsamen Kindern ein Familien-Imperium, ganz im Sinne ihres verstorbenen Mannes. Als das Porträt mit der FAZ entsteht, ist Wanda bereits über 80 und hat, so scheint es, immer noch die Zügel in der Hand. Sie beobachtet weiterhin die Welt der Mode, ihre Welt.

Auch wenn Wanda um einiges jünger war als ihr Mann, sie war eine Ferragamo. Ihre Vorstellung von Schönheit liegt im Reduzierten, Unterstreichenden, Dienlichen – nicht als Akt der Unterwerfung, sondern als eine Revolution. Deshalb begreift Wanda modisches Understatement als würdevoll. Heute, in einer Welt, in der Mode in der Gesellschaft so viele Spielräume hat, braucht es wiederum manchmal Übertreibungen und vulgäres Auftreten, um zu zeigen, wem wir Würde – abhängig von der äußeren Erscheinung – zugestehen oder absprechen. Ebenso wichtig wie die Bequemlichkeit von Ferragamo’s Schuhen ist der unbequeme Spiegel, den uns Mode manchmal vorhält.

Erlebnistipp Ferragamo

In den 30ern erwarb Salvatore den Palazzo Feroni in Florenz, um dort sein Unternehmen zu beheimaten. 1995 machte die Familie diesen zugänglich. Bis heute erzählt im Obergeschoss das Museo Salvatore Ferragamo die Geschichte des Gründers. Neben Entwürfen, Fotografien und zahlreichen Model-Füßen berühmter Persönlichkeiten können Besucher*innen mehr als 10.000 Schuhmodelle bewundern.

Auf der Webseite des Museums können Sie auch einen digitalen Blick in die Ausstellung werfen und online ist die handwerkliche Geschichte von Ferragamo ebenfalls kurz und anschaulich vom Museum zusammengefasst.

Darüber hinaus kann ich den im Text genannten Artikel der FAZ empfehlen, in dem viele spannende Details zu seiner Familie und dem heutigen Geschäft genannt werden.

Mehr über Ferragamo erfahren

Salvatore Ferragamo hat eine Autobiografie geschrieben, die es auf Spotify zu hören gibt – jedoch nur auf englisch. Auf Basis dieser Biografie hat erst 2020 der Doku-Film Salvatore, Shoemaker of Dreams bei den Filmfestspielen in Venedig Premiere gefeiert. Die Rechte wurden von Sony gekauft, ein Erscheinungsdatum ist noch unklar.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

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Lea Biermann

Lea Biermann

Redaktion

Seit vielen Jahren schreibt Lea für Redaktionen & Unternehmen.
Bei Glücksmomente Charmingplaces erzählt Lea am liebsten über Menschen und ihre Leidenschaft, sowie Bücher oder Filme, die direkt ins Herz gehen.

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