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Die kleine Gemeinde Vinci – Geburtsort eines großen Genies

Kulturtipp Vinci - Geheimtipp Toskana

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Besuchen Sie mit uns die toskanische Heimat von Leonardo da Vinci – unser kultureller Geheimtipp Toskana

Header-Bild: © Museo Leonardiano di Vinci

Wenn Sie sich für die italienische Renaissance im Allgemeinen und Leonardo da Vinci im Speziellen interessieren, werden Sie sicherlich seine Wirkungsstätten Florenz, Mailand und Rom bereisen, vielleicht auch noch Venedig.

Nach dem Motto „Alles für die Kunst!“ werden Sie sich in die Warteschlange an den Uffizien einreihen, eine kostspielige Führung buchen, um in der Kirche Santa Maria delle Grazie ‘Das Letzte Abendmahl‘ 15 Minuten lang besichtigen zu dürfen und sich abermals anstellen, um Einlass in die Vatikanischen Museen zu erhalten.

Sollten Sie Leonardos Spuren nach Venedig folgen, werden Sie seinen Vitruvianischen Menschen möglicherweise gar nicht zu Gesicht bekommen. Denn aus konservatorischen Gründen wird die berühmte, in der Galleria dell’ Accademia aufbewahrte Zeichnung nur selten ausgestellt. Viel wahrscheinlicher sehen Sie statt des homo vitruvianus unzählige Menschen aus aller Welt, die sich dicht an dicht durch die engen Gassen der Lagunenstadt schieben. Falls Sie solch touristischen Trubel lieber meiden, empfehlen wir Ihnen, zu den Ursprüngen des Genies zu reisen.

Weitaus ruhiger als in Italiens überlaufenen Kunstmetropolen geht es nämlich in Leonardos Geburtsort zu. Vinci liegt auf einer Anhöhe im Montalbaner Hügelland, etwa 25 Kilometer westlich von Florenz. Der hübsche mittelalterliche Ortskern ist umgeben von Olivenhainen, Weinbergen und Feldern. Im Umland finden sich, verstreut zwischen Steineichen- und Kastanienwäldern, alte Villen und Burgen sowie Reste etruskischer Siedlungen.

Die sanft modellierte Landschaft präsentiert sich seit der Renaissance nahezu unverändert, es fand keine stärkere Besiedelung mehr statt. Man möchte, wie einst Leonardo, das Skizzenbuch zücken und die Schönheit dieser Gegend mit dem Zeichenstift festhalten.

Seine 1473 entstandene Federzeichnung Landschaft mit Fluss zeigt Montevettolini, einen Nachbarort von Vinci. Das erste, sicher datierbare Werk des damals 21-jährigen Künstlers ist von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung. Als erste reine Landschaftsdarstellung in der abendländischen Kunst markiert das Bild den Beginn der Landschaftsmalerei als eigenständige Gattung.

Die Casa Natale di Leonardo in Anchiano

Leonardo da Vinci kam am 15. April 1452 als unehelicher Sohn des Notars Piero da Vinci und der Magd Catarina zur Welt. Es war wohl nur eine kurze Affäre: beide Eltern heirateten danach andere Partner. Leonardo wurde von seinem Vater als leiblicher Sohn angenommen und wuchs bei diesem in Florenz auf, wo er mit etwa 17 Jahren eine Lehre beim Künstler Andrea del Verrocchio begann.

Ein einsam gelegenes Steinhaus im Ortsteil Anchiano gilt als Leonardos Geburtsstätte. Eindeutige Beweise dafür gibt es keine, jedoch hat an dieser Stelle das Haus seines Großvaters gestanden, bei dem der kleine Leonardo seine ersten Lebensjahre verbrachte. Teile des wieder aufgebauten Gebäudes stammen noch aus dem 15. Jahrhundert. Die landschaftlich reizvolle Lage und ansprechende Ausstellungsgestaltung machen die Casa Natale di Leonardo da Vinci zu einem lohnenden Ausflugsziel.

1952 wurde das im Laufe der Zeit erweiterte Anwesen in ein Museum umgewandelt. Der Museumsrundgang führt durch das eigentliche Geburtshaus und das angrenzende Bauernhaus. In der Casa Natale zeigt eine multimedial inszenierte Ausstellung die Verbindung des Künstlers zu seiner Geburtsregion auf. Interaktive Anwendungen erklären Leonardos malerisches und grafisches Werk und ermöglichen es, darin jedes noch so kleine Detail zu entdecken. Im Bauernhaus kann Das letzte Abendmahl digital erforscht werden. Die großflächige Projektion reagiert auf Gestik oder Touchscreen-Eingabe. Begrüßt werden Sie bei Ihrem Besuch übrigens von Leonardo selbst – in Form eines lebensgroßen Hologramms.

Das Museo Leonardiano in Vinci

Nach der virtuellen Immersion in der Casa Natale können Sie nun auf der Strada Verde ganz in die echte Natur eintauchen. Der knapp drei Kilometer lange Wanderweg ins Ortszentrum von Vinci eröffnet reizvolle Ausblicke auf die malerische Hügellandschaft des Valdarno.

Ziel ist die Piazza dei Conti Guidi, ein 2006 von Mimmo Palladino neu gestalteter Platz, an dem sich der Haupteingang des Museo Leonardiano befindet. Der italienische Objektkünstler hat den Platz in ein Relief aus geometrischen Formen und schrägen Ebenen verwandelt, die als Fragmente des Polyeders – dem Symbol der Renaissance – gedeutet werden können. Gravuren und Intarsien in den Steinoberflächen verweisen auf das Forschungsspektrum Leonardos und die Vielfalt seiner Ausdrucksmöglichkeiten. In Palladinos Werk, das beleuchtet besonders gut wirkt, verschmelzen Zeichnung, Malerei und Skulptur zu einer zeitgenössischen Hommage an den berühmten Sohn der Stadt.

Die Idee, Leonardo da Vinci ein Museum in seiner Heimatstadt zu widmen, entstand im Jahr 1919 während der Gedenkfeier zu seinem 400. Todestag. Zu diesem Anlass und Zweck wurde das Castello dei Conti Guidi der Gemeinde gestiftet. Die erste Ausstellung von Modellen, die nach Leonardos Zeichnungen angefertigt wurden, konnte jedoch erst 1953 nach umfangreicher Restaurierung der mittelalterlichen Burganlage eröffnen.

Seitdem ist die Sammlung stetig gewachsen, sodass 2004 die Palazzina Uzielli als Ausstellungsfläche hinzugenommen und mit dem Geburtshaus zu einer dreiteiligen Museumsroute zusammengeschlossen wurde. Im Grunde genommen steht heute die gesamte historische Altstadt im Zeichen von Leonardo da Vinci.

In der Palazzina finden Sie im Erdgeschoss Leonardos mechanische Erkenntnisse in den Bereichen Bauwesen, Textilfertigung und Uhrmacherei. Im Obergeschoss werden Exponate zu seinen anatomischen Recherchen gezeigt. Die Ausstellung im Castello widmet sich  schwerpunktmäßig dem Thema Fortbewegung. Neben Flug- und Schiffsmodellen sind dort auch Kriegsmaschinen ausgestellt, mit deren Erfindung sich Leonardo die Gunst der Herrscherfamilien versprach.

Der Besucherrundgang endet auf der Turmterrasse, die spektakuläre Ausblicke auf Vinci und die umliegende Landschaft bietet. Am Fuße des Turms zieht der L’Uomo di Vinci des italienischen Bildhauers Mario Ceroli den Blick auf sich – eine dreidimensionale Version von Leonardos Zeichnung Der Vitruvianische Mensch. Die 1987 vom Künstler gestiftete  Holzskulptur bildete den Auftakt für eine Reihe zeitgenössischer Kunstwerke in Vinci, die sich allesamt mit dem Renaissance-Genie auseinandersetzen.

Zeitgenössische Kunst in Vinci

Beim Rundgang durch die pittoresken Gassen von Vinci werden Sie nicht nur auf weitere Skulpturen stoßen, darunter Werke von Nina Akamu, Cecco Bonanotte und Wu Weishan, sondern auch auf Street Art von Blub, Stelle Confuse und Claudio Cinelli.

Der anonyme Florentiner Künstler, der seine Werke mit dem Pseudonym Blub signiert, hat in Vinci gleich zwei seiner Paste-Ups aus der Serie L’arte sa nuotare (Kunst kann schwimmen) hinterlassen. Plakatiert auf zwei nebeneinander liegenden Stromkästen, schauen sich das Selbstbildnis Leonardo da Vincis und die Mona Lisa durch Taucherbrillen an. In diesem modernen Diptychon stellt Blub Künstler und Werk in einen neuen Zusammenhang und bringt Museumskunst auf die Straße. Das klingt spannend? Mehr über Street Art und Tipps für eine künstlerische Entdeckungsreise nach Florenz finden Sie in unserem Artikel Renaissance is over.

Es gibt also viel zu sehen in der kleinen Montalbaner Gemeinde, die trotz alledem immer noch der Inbegriff eines typischen italienischen Dorfes ist. Selbst im Jubiläumsjahr 2019, als sich Leonardos Todestag am 2. Mai 1519 zum fünfhundertsten Mal jährte, wurde Vinci vergleichsweise wenig überrannt. Reisen Sie hin und entdecken Sie Leonardo da Vinci ganz privat!

Unsere Kulturtipps & Geheimtipps in der Toskana

Mareike Dietrich

Textgestalterin – Autorin

Als Innenarchitektin und Texterin gestaltet Mareike Ideen, Räume und Sprache. Für Glücksmomente Charmingplaces berichtet sie über alles, was ihr am Herzen liegt und sie selbst glücklich macht.

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