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Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen der Emilia und der Romagna? Das habe ich mich oft gefragt und ein Romagnolo hat es mir erklärt. Die Emilia das ist der sogenannte Bauch Italiens. Gutshöfe mit weitläufigen Ländereien entlang des Po’s, perfekt für Schweinezucht und Milchwirtschaft. Der Tisch ist reichlich gedeckt mit fetten Würsten, Schinken, Parmigiano Reggiano und vielem mehr. Dazu trinkt man prickelnden, verdauungsfördernden Lambrusco. In der Romagna hingegen herrscht eine andere Kultur.
Hier ist alles ein wenig bescheidener. Von der nahen Adria kommen Fische und Meerestiere, auf den Anhöhen des Apennins fühlen sich Olivenbäume und Schafe wohl und in den Weinbergen spielen die Rebsorten Sangiovese und die weiße Albana die Hauptrolle. Abgesehen davon ist die Landschaft zauberhaft, die Menschen bodenständig und überaus herzlich, füge ich einfach mal hinzu.
Auf der Suche nach passenden Mitbringseln für meine Lieben bin ich auf das Städtchen Santarcangelo di Romagna gestoßen, das alleine schon wegen der bezaubernden Lage und dem mittelalterlichen centro storico einen Ausflug wert ist. Am besten bummelt man durch die schmalen Gassen mit Blick auf die mächtige Festung Rocca Malatestiana auf das nur 10 Kilometer entfernte Mittelmeer. Seit 1984 ist das reizende Städtchen eine Citta d’Arte.
Es gibt viel zu entdecken, allen voran die 160 Grotten unter der Stadt, von denen bis heute niemand gesichert weiß, weshalb sie errichtet wurden. Man kann sie besichtigen, aber wer klaustrophobisch ist, der macht es am besten wie ich, und besucht gleich nebenan die Stamperia Artigiana Marchi, der eigentliche Grund meines Ausflugs. Denn, handbedruckte Tischtücher oder Sets sind eine Besonderheit, und die von der Stamperia Marchi sind weltweit einzigartig!
Die Stoffe aus reinen Naturfasern werden vor und nach dem Bedrucken mit einer Heißmangel aus dem Jahre 1633 gepresst. Die vielen hölzernen Druckstempel stammen aus dem gleichen Jahr, dem Gründungsjahr des Betriebs. Bis heute werden ausschließlich natürliche Farben verwendet: rost, grün, blau und rot. Lara und Gabriele Marchie, die diesen Familienbetrieb heute führen, arbeiten noch auf die gleiche Weise wie vor 388 Jahren. Im Laden kann man die wunderschönen Tischdecken, Sets, Bettwäsche, Schürzen und vieles mehr kaufen, man darf diese beeindruckende Manufaktur mit den historischen Stoffpressen aber auch besichtigen. Der Einblick in das Arbeitsleben und die grandiose, lebendige Handwerkskunst der Familie Marchi und deren jahrhundertelange Geschichte bleibt unvergesslich in Erinnerung.
Das mittelalterliche Städtchen birgt aber noch viele weitere erlebenswerte Überraschungen, wie zum Beispiel Erbacea LAB, die Keramikwerkstätte von Arianna und Valentina, deren Lebensmotto lautet: Wir leben, um schöne Dinge zu gestalten. Die Farben weiß und blau sowie Kräuter-, Pflanzen- und Blumenmotive sind bei ihren Kunstwerken vorherrschend. Alles wirkt unglaublich zierlich, ob Vasen, Becher, Lampen, Bilder und vieles mehr. Die Keramikgegenstände sind handgefertigt und das verwendete kobaltblau ist eine Hommage an die holländische Keramik des 16. Jahrhunderts. Faszinierend ist auch die Drucktechnik mit Cyanotypie, ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit Blautönen. Im Laden mit der Werkstätte im Zentrum von Santarcangelo erklären die sympathischen Damen mit Enthusiasmus ihre geschaffenen Werke.
Ein Tipp aus eigener Erfahrung: Besuchen Sie, bevor Sie in den beiden erlebnisreichen Läden shoppen gehen, das reizende, einzige Museo del Bottone (Knopfmuseum) Italiens. Zahlreiche unterschiedliche Knöpfe zieren die Eingangstüre und machen neugierig. Im alten Gewölbe mit den Backsteinmauern hängen Schaubilder mit Knöpfen aus aller Welt und Signor Giorgio Gallavotti erklärt stolz: „Es sind mittlerweile um die 14.500 Exemplare. Eine besondere Freude macht mir ein Knopf, den Papst Francesco mir am 4. Januar 2017 für mein Museum geschenkt hat. Man fragt mich oft,“ fährt er fort, „warum es so viele unterschiedliche Knöpfe aus den verschiedensten Materialien gibt, haben Sie doch nur die Aufgabe zwei Stoffteile miteinander zu verbinden. Aber dem ist nicht so, Knöpfe waren und sind ein Renommee!“
Seit Mai 2008 öffnet Signor Gallavotti die Pforten zu seinem außergewöhnlichen Museum und weiß, wenn man die nötige Zeit mitbringt, zu fast jedem Knopf eine Geschichte.
Zum Schluss empfehle ich noch eine Genuss-Pause in der Osteria La Sangiovese, wie anfangs erwähnt der Wein der Romagna. Dott. Manlio Maggioli, der Besitzer des antiken Palazzo Nadiani aus dem 17. Jahrhundert, hat gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Tonino Guerra, Poet, Drehbuchautor und Maler dieses fantastische, gastronomische Projekt entwickelt. Lassen sie die erlebnisreichen Stunden in Santarcangelo ausklingen mit vinophiler und kulinarischer Kultur der Romagna.
Tipps in Santarcangelo erleben?
Stamperia Artigiana Marchi
Via Cesare Battisti 15
Erbace Lab
Indirizzo Laboratorio: Via A. Saffi, 36
Knopfmuseum Museo del bottone
Via della Costa 11
La Sangiovese
Piazza Beato Simone Balacchi 14
Monika Kellermann
Wein & Genuss – Autorin
Monika Kellermann schreibt nicht nur seit vielen Jahren in Artikeln und Büchern über Wein und Genuss. Die Autorin ist auch Expertin für italienischen Lebensstil und kennt die Region rund um den Gardasee besonders gut, da sie dort neben München ihre zweite Heimat gefunden hat.
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