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Von den landwirtschaftlichen Großgrundbesitzern in und um Florenz, blieben nur wenige übrig: Sie heißen Antinori, Corsini, Gondi, Mazzei, Ricasoli und natürlich Frescobaldi, die schon seit über 700 Jahren und derzeit in der 30. Generation tätig sind. Sie begannen mit Bankgeschäften, Textilhandel und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Heute gebieten sie über 1500 Hektar Weinland in Italien und diverse Beteiligungen im Ausland. Im Familienarchiv finden sich Dokumente und Handelsverträge mit vielen europäischen Höfen. Im XV. und XVI. Jahrhundert belieferten die Frescobaldis den englischen Hof mit Wein, sowie viele andere europäische Länder, darunter auch den Vatikan. Ähnlich die Antinoris, die mit vergleichbar großer Weinbaufläche in der 26. Generation im Weingeschäft tätig sind.
Wo Wein getrunken wird, ist auch gutes Essen nicht weit. Nachdem vor einigen Jahren ein florentinisches Kochbuch aufgetaucht ist, in dem die Herstellung von Pasta bereits um 1290 – fünf Jahre vor der Rückkehr Marco Polos aus Asien – akkurat beschrieben wurde, ist nicht mehr daran zu rütteln, dass die Nudelkunst hier ihren Anfang nahm.
Als in der Toskana Anfang der siebziger Jahre die Landflucht einsetzte, weil die Bauern nach Abschaffung der Mezzadria nicht die Mittel hatten, die Häuser und Höfe zu kaufen, die sie im Auftrag der Großgrundbesitzer über viele Jahre und Generationen bewirtschaftet hatten, kauften Städter aus Rom und Mailand, darunter viele Industrielle und Textilfabrikanten, diese einsam gelegenen Bauernhäuser für kleines Geld. Auch Deutsche waren darunter, animiert von einem Artikel über verlassene Häuser mit Zypressenalleen in der legendären Zeitschrift „Twen” und legten den Grundstein für die spätere Toskana-Fraktion.
Das hatte auch positive Seiten: Häuser wurden vor dem Verfall bewahrt und meist mit viel Geld liebevoll renoviert. Verwilderte Olivenhaine wurden kultiviert, Trockenmauern wieder aufgebaut. Dafür wurden qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht – das Handwerk lebte wieder auf. Auch der Weinbau, dessen ländlichere Erzeugnisse in strohumwickelten bauchigen Fiascos verkauft wurden, erlebte dank dieser Investoren einen Neubeginn.
Seit die noch aus dem letzten Jahrhundert stammende „Formel” für den Chianti großzügiger ausgelegt werden darf (bis zu 100 Prozent Sangiovese dürfen verwendet werden, aber keine Weissweine mehr) hat die Qualität des Chianti zugenommen. Denn dieser war bis auf wenige Ausnahmen gleichbedeutend mit säuerlich, dünn, blaß und einer fatalen Neigung zur schnellen Oxydation. Alle Chianti sind DOCGs (geschützte, kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung), aber nur Weine aus der zentralen Zone an der Strada Chiantigiana dürfen sich „Chianti Classico” nennen. Die bekannten Dörfer dort heissen Greve, Panzano, Castellina, Radda, Gaiole. Rund 37 Mio. Flaschen produzieren die 354 selbst abfüllenden Betriebe jedes Jahr.
Weiter südlich, aus San Gimignano kommt der weiße „Vernaccia”, Montalcino produziert den berühmten „Brunello”, Montepulciano den „Vino Nobile”. Seit einigen Jahren sind interessante Weinzonen dazu gekommen: An der toskanischen Küste, der Maremma, haben sich nach den Pionieren „Ornellaia”,„Sassicaia” und „Tignanello” nicht nur zahlreiche Winzer aus der klassischen Toskana ins Abenteuer in der unwirtlichen Gegend gestürzt, sondern auch Produzenten aus dem Norden Italiens. Aus Mischsätzen mit Merlot, Cabernet Sauvignon oder Syrah oder reinstem Sangiovese entstehen große und teure Weine, gerne auch als Supertuscans bezeichnet.
Viele dieser Weine gibt es auch glasweise in den gut geführten florentiner Weinbars. Auch Frescobaldi und Antinori betreiben Weinlokale – in denen hauptsächlich die eigenen Etiketten verkauft werden.
Die nachfolgende Auswahl der unzähligen Weinbars beruht auf persönlichen Eindrücken. Weil auch das Auge mittrinkt und als Aperitivo auch ein Cocktail schmeckt, habe ich die Liste um zwei Dachlokale (Rooftop-Bars) erweitert.
Note di Vino Via Borgo dei Greci 4 (Piazza Santa Croce) www.notedivinofirenze.it, +39 334 856 8706 Rotweine nur aus der Toskana, Toast mit Butter und Sardellen aus Kantabrien.
Casa del Vino Via dell‘Ariento 16, (5 Minuten von der Stazione S. Maria Novella) www.casadelvino.it, +39 055 215609 Bezeichnet sich selbst als älteste Weinbar von Florenz seit 1890.
La Divina Enoteca im Mercato San Lorenzo, Via Panicale 19, (nahe Stazione S. Maria Novella), www.ladivinaenoteca.it, +39 055 292723 Im ständigen Wechsel auch hochwertige Weine im Offenausschank per Glas.
Wine-Shop und Wine Bar Via Giuseppe Verdi 53 am-pm-wine-shop.business.site, +39 055 386 0002 Auch Weinkauf möglich, geöffnet bis um drei Uhr morgens.
Le Volpi e l‘Uva Piazza dei Rossi 1 www.levolpieluva.com, +39 055 2398132 Wechselnde Auswahl an Weinen im Glas, kommentierte Weindegustationen.
Vineria Sonora Via Degli Alfani 39 www.vineriasonora.it, +39 055 359 8658 Modern-jugendliche Weinauswahl incl. Pet Nat und Orange-Weinen.
Ristorante Frescobaldi Piazza della Signorina 31 www.frescobaldifirenze.it, +39 055 284724 Im Angebot sechs Probe-Flights mit je drei typischen Weinen bzw. Traubensorten.
Cantinetta Antinori Piazza degli Antinori 3 www.cantinetta-antinori.it, +39 055 292234 Im Erdgeschoss des Palazzo Antinori in der feinen Via Tornabuoni.
Weine und Drinks mit Aussicht:
La Terrazza Sechster Stock im Hotel Continental, Lungarno degli Acciaiuoli 2 www.lungarnocollection.com, +39 055 272659 87 Hier bestechen die Aussicht über Florenz und die perfekten Cocktails und Drinks.
SE.STO on Arno im Westin Excelsior Hotel, Piazza Ognissanti 3 www.sestoarno.com, +39 055 27151 Weniger Weinbar als angenehmer Apero-Place mit grossartiger Aussicht.
Auf dem anderen Arno-Ufer. Einheimische sprechen von Oltrarno:
Retrogusto Borgo S. Frediano 60, www.winebarretrogusto.it, +39 055 349643 4924 Weil sich nur vom Wein kaum leben lässt, mit winzigem Bistro.
Santino Via Santa Spirito 60 www.ilsantobevitore.com, +39 055 230 2820 Nebst gut sortierter Weinkarte auch Restaurant und Bäckerei.
Enoteca Pitti Gola e Cantina Piazza Pitti 16 pittigolaecantina.it, +39 055 212704 Etwas elitär, wird vielleicht deswegen häufig als beste Weinbar gerühmt.
Christian Wenger
Wein & Genuss – Autor
Seine Hauptbeschäftigung galt der Verlagsleitung und Geschäftsführung der Wirtschaftswoche, später dem ManagerMagazin und dem SPIEGEL. Heute geht er seiner Passion nach und schreibt über Weine, Weinproduzenten, Restaurants & Hotels und Kulinarisches u.a. für die Financial Times, Feinschmecker, Alles über Wein, den Stern, Manager Magazin und seine eigene Webseite winedine.de.
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