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Die schmale Küste mit ihren schroff zu den Seealpen ansteigenden Hängen und den wie von Malern und Bildhauern in die Landschaft gezauberten Dörfern ist das Kennzeichen der italienischen Blumenriviera (Riviera dei Fiori), als westlichem Teilraum der Riviera di Ponente in Ligurien.
Letztere erstreckt sich von Genua nach Westen bis zur Grenzstadt Ventimiglia, die Blumenriviera selbst reicht von Ventimiglia im Westen bis zum Badeort Andora im Osten.
Auf der Fahrt entlang der Küstenstraße der Via Aurelia (SS1) wird man mit abwechselnden Ausblicken auf das ligurische Meer, die pittoresken Dörfer und die terrassierten Hänge belohnt. Überall sieht man Olivenhaine für die Herstellung von Olivenöl, die in höheren Lagen von den mediterranen Eichen- und Kastanienwäldern abgelöst werden.
Die städtischen Zentren der ländlich zu nennenden Region sind durchaus unterschiedlich im Charakter: im Westen bezeugen das bekannte San Remo nebst Nachbarin Bordighiera in ihrer divenhaften Schönheit ihre Glanzzeiten der 1850er bis 1950er Jahre. Die hier auch heute noch weit verbreitete Produktion von Schnittblumen ist Namensgeberin der Region („Riviera dei Fiori“). Vergleichbar in Sachen Einwohnerzahl ist dieses kulturelle Zentrum der Blumenriviera mit der Stadt Ravensburg in Oberschwaben.
Im Osten liegt der Schwerpunkt im Badetourismus – die Orte Diano Marina und Andora warten mit hübschen Ortskernen auf, haben aber ihre Ortsgestaltung dem Interesse der zahlreichen Badegäste freundlich angepasst.
In der Mitte der Region thront – im wahrsten Sinne des Wortes – Imperia mit dem imposant auf einem Hügel gelegenen Stadtteil Porto Maurizio, daneben die – nur auf den ersten Blick – unattraktivere Schwester Oneglia. Hier war der Pasta-Hersteller Agnesi beheimatet, bis er, zum großen Bedauern der Stadt, vor 5 Jahren die Region verließ. Die leerstehenden Fabrikgebäude von Agnesi prägen das Hafenviertel Oneglias.
Auch der größte Oliven-Verarbeiter und -Händler der Region, die Firma Fratelli Carli, liegt mit seinem Oliven-Museum im Zentrum der Stadt. Der geneigte Besucher erfährt hier alles über die Olive und ihr wunderbares Olivenöl.
Man kann Imperia als das Lebensmittelzentrum der Region bezeichnen. Vor 100 Jahren wurden die ungleichen Schwestern zu einer Kommune zusammengefügt – hier Porto Maurizio mit wunderschöner Altstadt und prachtvollem Dom, aus der Ferne wie eine orientalische Stadt aus 1001 Nacht anmutend, dort das wesentlich prosaischer wirkende Oneglia mit Fabrikgebäuden, Werften, aber auch guten Einkaufsmöglichkeiten unter schönen Arkaden und einer gastronomisch best bestückten Hafenpromenade.
Die Taggiasca-Olive und das Olivenöl
Auf den Terrassen der Region gedeiht die wichtigste Pflanzenkultur Liguriens, der Taggiasca-Olivenbaum. Dieser wurde durch Benediktinermönche im 12. Jahrhundert in die Region gebracht. Viele Olivenbäume sind 300-400 Jahre alt. Die Taggiasca-Olive kennzeichnet ihre kleine Frucht mit ausgewogenen Bitterstoffen. Daher ist sie besonders als Ess-Olive bekannt, es wird jedoch auch Olivenöl produziert. In allen Bars und Cafés im westlichen Ligurien wird zu Getränken und Drinks eine Schale Taggiasca-Oliven gereicht, dazu ein paar Stücke Focaccia.
Das Fladenbrot Focaccia ist ebenfalls eine Spezialität Liguriens und besteht in seiner einfachsten Form aus einem Mehl-Olivenölteig. In der Riviera dei Fiori ankommen heißt für mich daher immer: zuerst an meine Lieblingsbar am Meer fahren, einen Martini Bianco (die 50er Jahre leben auf) auf Eis bestellen und mit Taggiasca-Oliven und Foccacia genießen. Endlich zu Hause.
Meine Liebe zur Blumenriviera wurde vor über 20 Jahren entfacht, als mich ein Freund nach einer Wandertour in den Cinque Terre an einen zauberhaften Platz in der Nähe von Imperia entführte. Kein Jahr, in dem ich seitdem nicht wenigstens einmal nach Ligurien fahre. Vor 10 Jahren kam ein kleines, idyllisches, in einem Olivenhain gelegenes Rustico zu mir und vertiefte meine Freude und das Interesse an den Olivenbäumen, Oliven und dem Olivenöl.
Diese lange Verbundenheit zur Region mündete für mich – Harald Ulmer – und meinen Freund und Weggefährten Jürgen Schlott im letzten Jahr darin, Olivenbauern mit eigenem Olivenhain zu werden und in die Direktvermarktung einzusteigen. Dafür haben wir Wein und Olive ins Leben gerufen.
Was uns motiviert, ist die Liebe zur Region und die Beobachtung, dass die Kultivierung der Oliven für die einheimischen Familien immer weniger interessant geworden ist. Attraktiveren Arbeitsangeboten in Turin und Mailand folgend, bleiben oft nur die Großväter zurück, die sich noch um die Olivenbäume kümmern.
Von der Landwirtschaft zu leben ist nicht nur in Ligurien kaum mehr möglich, das gilt für viele landschaftlich schöne Regionen in ganz Europa. Aber letztlich machen die landwirtschaftlichen Kulturlandschaften die Attraktivität der Regionen aus. Darüber hinaus entstehen aus der Taggiasca-Olive einzigartige Produkte, die so nur aus dieser Region kommen können.
Ernte und Verarbeitung
In den Dörfern im Hinterland finden wir viele kleine Ölmühlen, die die Taggiasca-Olive zu einem einzigartigen Olivenöl verarbeiten. Der Basisstandard ist die Qualität „Natives Olivenöl Extra Vergine“, was nichts anderes bedeutet, als dass es kaltgepresstes Olivenöl aus der ersten Pressung ist. Doch diese gesetzlichen Vorgaben sagen noch wenig darüber aus, wie gutes, sehr gutes oder exzellentes Olivenöl hergestellt wird. Hier kommt es besonders auf Tempo und Sorgfalt an.
Die Erntezeit beginnt im November und reicht traditionell bis in den Februar. Die frühe Ernte im November und Dezember wird aber immer mehr zum Standard, da eine früh geerntete Olive ein fruchtigeres Öl hervorbringt. Bei der Ernte ist Geschwindigkeit entscheidend. Durch die steilen Terrassen ist bis heute die Handarbeit bei der Ernte unersetzlich. Lediglich die mit Elektromotoren betriebenen „Schüttelgabeln“ erleichtern das Ernten der Oliven, die dann auf ausgebreitete Netze fallen.
Idealerweise werden Schütteln, Einsammeln, die Fahrt zur Mühle, Reinigen und Pressen der Oliven innerhalb von 24h erledigt. Dadurch wird die Oxidation des Öls in den frischen Oliven minimiert und die Qualität des Olivenöls verbessert. Das ist nur eins von vielen Geheimnissen, um ein exzellentes Öl zu produzieren.
Die Kultivierung der Olivenbäume, die Pflege- und Erntetechniken wie auch die Verarbeitung der Oliven haben in den letzten Jahren viele Veränderungen erfahren. Eine naturnahe, ökologische Bewirtschaftung ist für uns, die neuen Olivenproduzenten, das wichtigste Grundprinzip. Das teilen wir auch mit den wenigen jungen Menschen aus der Region, die die Olivenproduktion fortsetzen.
Unser Wunsch ist es auch, der sehr aufwendigen Produktion in den steilen Terrassen, verbunden mit einem großen Anteil an Handarbeit, die notwendige wirtschaftliche und ideelle Wertschätzung entgegen zu bringen. Das eigene Erleben der Landschaft, der Arbeit und der Kultur bereichert den Genuss und erschließt quasi die Qualität des Olivenöls. Für diese Wahrnehmung wollen wir unsere Kunden bei „Wein und Olive“ begeistern.
Weitere Produkte
Dazu gehören auch Neuentdeckungen. In der Gründungsphase von Wein und Olive haben wir Tee aus Olivenblättern gekostet und waren vom Geschmack überwältigt. Der Olivenblättertee ist mild, von hellgoldenem Ton und liegt geschmacklich zwischen mildem Roibush und mildem Grüntee. Wie beim Grüntee sind die Wirkungen des Olivenblättertees ein umfassender Griff in die Natur-Apotheke. So hat er positive Wirkungen bei Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und hohen Blutfettwerten.
Da Olivenblättertee aus Ligurien bisher nicht oder kaum angeboten wird, haben wir – Wein und Olive – uns dieser Aufgabe verschrieben und sind im Jahr 2021 in die erste Produktion gegangen. Die Olivenblätterernte für den Tee findet vorwiegend von März bis Mai statt, unsere Ernte 2022 aus Wildsammlung ist ab Mai 2022 verfügbar.
Und was ist mit Wein? Im Hinterland von Imperia liegen auch die wichtigsten Weinanbaugebiete Westliguriens. Die Region Ligurien ist bekannt für ihre Weißweine, die wichtigsten Rebsorten heißen Pigato und Vermentino. Wie beim Olivenanbau ist auch der Weinanbau in den Händen von kleinen Familienbetrieben. Der Wein wird daher kaum exportiert und hauptsächlich vor Ort in Direktvermarktung verkauft. Wir stehen inzwischen in engem Kontakt mit den regionalen Produzenten und werden ab dem Herbst 2022 auf Wein und Olive Winzer vorstellen und ein begrenztes Angebot von ligurischen Weinen zum Verkauf anbieten.
Kontakt: www.weinundolive.de
Text: Harald Ulmer
Hier gibt’s die Produkte zu kaufen
Unsere Liebe zu Ligurien ist eine gewachsene und reife Liebe geworden. Mit unserem Projekt Wein und Olive wollen wir unsere Glücksmomente an unserem Lieblingsort teilen und Wertschätzung für die Menschen, die Kulturlandschaft und die Produkte der Blumenriviera – vorallem das köstliche Olivenöl – gewinnen.
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