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Buchtipp: Bella Germania

Buchtipp Bella Germania

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Illustration: Burak Eser

Bella Germania war eines der Bücher, zu denen ich gegriffen habe, als ich nichts „Schweres“ lesen wollte. Das Cover war mir bekannt von den Auslagetischen der Buchhandlungen. Die mit den Bestseller Stickern. Das alles schien mir eine leichte Geschichte zu versprechen – ein wenig Identitätskrise, ein bisschen Liebe in den Verstrickungen einer nostalgischen Familiengeschichte. Angereichert mit italienischem (wahrscheinlich mit Klischees überlagertem) Flair, aus der mit Ressentiments geschmückten Perspektive eines Deutschen Autors. Dabei war ich es, die Vorurteile hatte.

Aber kurz zur Geschichte: Die Münchner Modedesignerin Julia hinterfragt trotz (oder vielleicht gerade wegen) ihrem beruflichem Erfolg ihre Identität. In diese Frage grätscht ein Mann, der behauptet, ihr Großvater zu sein. Und schon katapultiert uns die Geschichte in das Italien der 1950er Jahre, erzählt von Nachkriegszeit, wirtschaftlichem Aufschwung und einem jungen Ingenieur, der nach Italien reist und – typisch deutsch – denen zeigt, wie man es „richtig“ macht. Und sich verliebt. Die folgenden Ereignisse prägen nicht nur dessen Leben, sondern auch das vieler anderer Akteur*innen und das der folgenden Generationen.

Die Handlungsstränge, die sich mühelos abwechseln und einander verweben, halten das Versprechen von Leichtigkeit. Die Tragik und Tragweite der großen Liebesgeschichte rechtfertigt die über 600 Seiten des Romans allemal und auch die Italien-Nostalgie kommt nicht zu kurz. Was aber dazwischen steckt, ist sorgfältig recherchiertes Zeitgeschehen und die sensible und bedachte Perspektive eines Autors, der nicht nur eine gute Idee hatte, sondern merklich die Pflicht verspürte, ein Stück Geschichte erfahrbar zu machen.

Daniel Speck nutzt dafür zum einen den Stellenwert der Autobranche zu Zeiten des Wirtschaftswunders. Die halsbrecherischen Autorennen in Italien im Kontrast zu der kalkulierten Wirtschaftlichkeit deutscher Autobauer. Vom Traum des gesellschaftlichen Aufstiegs und wie deshalb die Anwerbepolitik Deutschlands tausende Gastarbeiter*innen anzog und für viele Deutsche den Wohlstand erst möglich machte. Speck benennt die Klischees und lässt seine Figuren dann gegen deren Mauern rennen. Sie machen verständlich, warum wer wie entscheidet und handelt, ohne die Charaktere in Schutz zu nehmen. Speck erzählt davon, wie es ist, aus den zugeschriebenen Rollenbeschreibungen ausbrechen zu wollen und wie es ist, von der Gesellschaft immer wieder in diese Rolle zurückgedrängt zu werden.

Bella Germania erzählt nur eine Geschichte von vielen – und die ist mit Sicherheit nicht repräsentativ für die vieler Gastarbeiter-Familien. Dafür ist sie dann doch zu filmreif (das Buch wurde tatsächlich bereits verfilmt). Aber es sensibilisiert dafür, dass es sehr viele Menschen gibt, die einer Generation angehören, die keinen selbstverständlichen Platz in dieser Gesellschaft haben. Die darum kämpfen mussten und müssen. Bella Germania erinnert daran, warum es wichtig ist, diesen Menschen Raum und Gehör zu verschaffen. Weil wir alle Teil dieser Geschichte sind – und weil Verständigung und Verständnis dazu beiträgt, wie wir diese Geschichte künftig weitererzählen.

„Auf der Rennstrecke oder auf dem Laufsteg, es geht immer nur darum, ob du deinen Platz unter den Sternen gefunden hast oder darum kämpfen musst. Und viel härter ist es für einen, der sein Zelt fern von der Heimat errichten muss.“

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Lesenswert ist außerdem diese Rezension der Wochenzeitung ZEIT über die Verfilmung des Buches.

Mehr über die legendären Autorennen im Italien der 50er erfahren Sie in einem weiteren Artikel
Lea Biermann

Lea Biermann

Redaktion

Seit vielen Jahren schreibt Lea für Redaktionen & Unternehmen.
Bei Glücksmomente Charmingplaces erzählt Lea am liebsten über Menschen und ihre Leidenschaft, sowie Bücher oder Filme, die direkt ins Herz gehen.

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