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Mallorcas erste Touristin

Medientipp Mallorca

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Medientipp Mallorca: “Ein Winter auf Mallorca”

Mitte August geht eine Meldung durch die hiesigen Zeitungsportale. Wegen einer Ausnahmegenehmigung dürfen an einem Samstag statt drei gleich fünf Kreuzfahrtschiffe auf Mallorca anlegen. Fünf Schiffe, deren 16.500 Gäste die Insel an einem Tag fluten.

Was nach viel klingt, ist verschwindend gering, wenn man die Zahlen betrachtet, die ansonsten jährlich auf der Baleareninsel urlaubt. Entgegen dem Trend, Abstand vom Massentourismus zu nehmen, sind die Deutschen weiterhin ganz vorne mit dabei, wenn es um ihre Lieblingsinsel geht. Nicht umsonst heißt es scherzhaft, Mallorca sei das 17. Bundesland.

Trügerisch ist das Bild, dass es sich hier nur um den bei Individualurlaubenden verpönten Party-Tourismus handelt. Längst ist es kein Geheimtipp mehr, dass das „echte Mallorca“ im großen Kontrast zum Ballermann steht.

Spektakuläre Serpentinen-Straßen, die vorbei an zauberhaften kleinen Buchten führen. Umrahmt von mediterranen Wäldern, hier und da eine Ziegenherde, kleine Dörfer und Olivenhaine. In einem anderen Teil der Insel, flache, stille Landschaften, die an weiße Strände grenzen, die beinahe karibisch anmuten. In den kleinen Fischerhäfen treffen Gäste auf einen wunderbar mediterranen Flair.

Kein Wunder also, dass sich Mallorca unter Fans des naturnahen, erlebnisreichen und ästhetisch rustikalen Reisens großer Beliebtheit erfreut.

Kaum vorstellbar, dass es einmal anders war. Jedoch, wenn wir etwa 200 Jahre in die Vergangenheit blicken, gibt es kaum bekannte Reiseberichte. Schon gar nicht welche, die ahnen lassen, dass die Insel einmal zu den beliebtesten Reisezielen in Europa zählen wird.

Einer jedoch, einer der ersten, ist bis heute bekannt. Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil, besser bekannt unter ihrem schriftstellerischen Pseudonym George Sand, reiste gemeinsam mit ihren zwei Kindern und ihrem Geliebten Frédéric Chopin im Winter 1838 auf die Insel.

Die Gründe dafür werden heute vielfältig zitiert. Der Sohn der Pariserin leidet an Rheuma und soll sich in dem milden Klima erholen, Chopin und Sand wiederum sehnen sich selbst nach einer Auszeit des gesellschaftlichen Trubels der französischen Großstadt und wollen wohl auch den kritischen Stimmen und Blicken entkommen.

George Sand führte ein besonderes Leben. Ganz im Gegensatz zu jeglichen zeitgenössischen Gepflogenheiten lässt sie sich mit 27 Jahren scheiden und beginnt im gleichen Jahr zu schreiben. Bereits zwei Jahre und drei Bücher später ist die junge Schriftstellerin über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt. Das bringt ihr sowohl viel Bewunderung, aber auch Missgunst ein.

Überhaupt gefällt vielen George Sands Lebensweise nicht. Sie trägt Männerkleidung, hat Affären mit Frauen und Männern und setzte sowohl mit ihren Werken, als auch mit ihren sonstigen Beiträgen feministische wie gesellschaftskritische Bilder in die Welt. Eine Welt, der George Sand weit voraus schien, wie man so schön sagt.

Nun könnte man die Reise auf Mallorca als ähnlich visionär einschätzen. Erst kurz vor ihrer Reise war eine Fährlinie auf die Baleareninsel eingerichtet worden, die hauptsächlich dem Schweinetransport (eines der mallorquinischen Handelsprodukte jener Zeit) diente. Auf Mallorca gab es kein einziges Hotel.

George Sand selbst sagte, dass sie sich für ihr Reiseziel auf Empfehlungen hin entschieden habe, die behaupteten „das Land und Klima gut zu kennen, in Wahrheit jedoch gar keine Ahnung hatten.“

Schon zu Beginn ihres berühmten Reiseberichts lässt sie anklingen, dass sie sich während des Aufenthalts nicht gerade in „ekstatischer Begeisterung befand.“ Und so liest sich „Ein Winter auf Mallorca“ an vielen Stellen wie eine unzufriedene Bewertung auf einem der einschlägigen Buchungsportale.

Besonders die in Sands Augen unfreundlichen und hinterwäldlerischen Mallorquiner, der verregnete Winter und hier und da auch ihre Reisebegleitung Chopin kommen in der Erzählung gar nicht gut weg.

Aber wegen ihrer intellektuellen Wortgewandtheit, ihrem beißenden Sarkasmus und der selbstkritischen Passagen sind auch jene ausholenden Beschwerden ein Lesevergnügen. Außerdem stellen sie ein grundmenschliches, wenn auch unfaires Verhalten, dar: Wer selbst getreten wird, tritt auch – und das gerne nach unten.

Sowieso sollten die eurozentrischen, von Kolonialmächten geprägten Perspektiven alter Reiseberichte mit Bedacht genossen werden, erheben sie sich doch gerne und reproduzieren falsche Stereotype

Jedoch, und das ist wohl der größte Schatz des Reiseberichts, hat George Sand die Frustration über die Umstände der Reise ihrer Begeisterung für die mallorquinische Natur nichts anhaben können. Ihre schwärmerischen Beschreibungen erinnern an das Mallorca, das heute Sehnsuchtsort vieler Reisender geworden ist.

Ebenfalls zukunftsweisend ist die Reflexion ihrer Aussteiger-Gedanken aus der urbanen Welt und fragt die Lesenden über die Bekanntheit der Anziehungskraft von Abgeschiedenheit für „von der Welt erschöpften und ihrer Illusionen beraubten Seelen“, nur  mit der Erkenntnis zu enden, dass der Mensch in die Welt gekommen sei, um darin etwas zu bewirken.

George Sand erlebt, was so viele Reisende kennen: Sie gehen los auf der Suche nach dem Paradies und landen dennoch wieder bei sich selbst.

Doch auch mit dieser Erkenntnis weiß die Schriftstellerin etwas anzufangen und prophezeit ganz nebenbei die touristische Beliebtheit der Insel:

„Wenn es aber die europäische Zivilisation dazu brächte, die Zöllner und Gendarmen, diese leibhaftigen Wahrzeichen des Misstrauens und der Abneigung zwischen den Nationen, abzuschaffen, wenn überdies die Dampfschifffahrt eine direkte Route von uns hin zu diesen Gestaden einrichten könnte, würde Mallorca binnen kurzer Zeit in große Konkurrenz zur Schweiz treten; man könnte dann genauso schnell dorthin reisen und würde dort ebenso anmutig schöne, wie eigenartig-erhabene, großartige Landschaften vorfinden (…).

Es wird wohl der Tag kommen, an dem auch zartere Gemüter, ja sogar hübsche Frauenzimmer in der Lage sein werden, ohne mehr Beschwerlichkeiten und Unannehmlichkeiten nach Palma zu fahren als heutzutage nach Genf.“

Auch wenn sich George Sand als verwöhnte Städterin diesen Komfort wohl selbst schon zu ihrer Reisezeit gewünscht hätte, sieht sie die von ihr vermuteten Entwicklung dennoch kritisch.

„Ich spreche mich weiß Gott nicht dagegen aus, dass Menschen in größeren Mengen auf Reisen gehen. Aber wenn die menschliche Intelligenz und Moral genauso schnell vorankommen sollen wie die Industrie, so möchte ich meinen, dass es nicht die Aufgabe der Eisenbahn sein kann, ganze Völkerscharen, die unter der Melancholie leiden oder von krankhafter Hektik befallen sind, von einem Fleck der Erde an einen anderen zu transportieren.“

Es wäre schön zu lesen, wie George Sand die Meldung über die Kreuzfahrt-Sonderregelung betrachtet hätte. Vielleicht hätte das Mallorca von heute sie mit ihrer eigenen Reise versöhnt. Sicher ist, dass sie mit „Ein Winter auf Mallorca“ ein wichtiges Zeitzeugnis hinterlassen hat, das sowohl ihre Zeit als auch die Insel auf einzigartige Weise beobachtet.

Unser Medientipp Mallorca

„Ein Winter auf Mallorca“ lesen:

Erst 2016 erschien George Sands Reisebericht in Neuübersetzung von Hermann Lindner, das Sie hier beim Verlag bestellen können.

Neben zahlreichen zeitgenössischen Bildern enthält das Buch sorgfältige Fußnoten, sowie einen Auszug aus Sands Autobiografie, die die Erzählungen zusätzlich einordnen.

Medientipp Mallorca

„Ein Winter auf Mallorca“ hören

Ein weiterer Medientipp Mallorca: Wem die 376 Seiten Mallorca-Bericht in nicht gerade einfacher Sprache zu schwere Kost sind, empfehle ich den Hörbuch-Reisebericht aus der Reihe „Hörreisen“. Eine stark gekürzte Version des Reiseberichts, kaum länger als eine Stunde, verleiht aber einen guten Einblick in die Reise und George Sands Wesen. Auch hörbar auf Spotify.

Ein besonderes Souvenir

Prägend – beziehungsweise ausschlaggebend – ist der Bildband des französischen Malers Jean-Joseph Bonaventure Laurens. Sein Werk „Souvenirs d’un voyage d’art à l’île de Majorque“ inspirierte George Sand überhaupt dazu, ihre Erinnerungen an Mallorca aufzuschreiben.

Meines Wissens wurde das Buch nie in Deutschland verlegt und auch in Frankreich ist es nur antiquar erhältlich – für vermutlich meist viel Geld. Jedoch ist doch allein das Wissen um die Existenz dieses Buches ein kleiner Schatz.

Und Neugierige können in der oben genannten Auflage von „Ein Winter auf Mallorca“ viele der Bilder ansehen und George Sand Reflexion zu seiner Arbeit lesen.

Medientipp Mallorca: True Crime

„Stubenhocker, der du aus Pflichtgefühl nun einmal bist, mein lieber François, glaubst du, ich meinerseits hätte, angetrieben vom stolzen und launenhaften Steckenpferd, unabhängig zu leben, kein leidenschaftlicheres Vergnügen auf dieser Welt gekannt, als Meere und Gebirge, Seen und Täler zu durchqueren.

Wenn dem nur so wäre! Meine schönsten, meine genussvollsten Reisen, die habe ich am Kamin gemacht, mit den Füßen in der noch warmen Asche und die Ellenbogen aufgestützt auf die verschlissenen Armlehnen des Lehnstuhls meiner Großmutter.“

Das schreibt George Sand in einem Brief, mit dem “Ein Winter auf Mallorca“ anfängt.

Auch wenn unsere Reisen weniger beschwerlich geworden sind. Manche Dinge erlebt man doch lieber aus sicherem Abstand. Das geht kaum besser, als mit dem Spotify Podcast „The Real Bierkönig – Mord auf Mallorca“, der einem wahren und nie aufgeklärten Verbrechen nachspürt. Ob Sie sich mehr vor diesem gruseln oder vor dem Ballermann dürfen Sie selbst entscheiden.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

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Geheimtipps, wie sie George Sand gerne gehabt hätte

George Sand war wohl ein Mensch, der sowohl gerne neues Terrain entdeckte, sich aber auch am Komfort guter Gesellschaft erfreute, sowie zukunftsorientierte Menschen und ihre Arbeit schätzte.

Das kann man wohl auch alles von den besonderen Reiseführern von „Travel Colours“ behaupten. Die ausgewählte Sammlung aus besonderen Orten zum übernachten, genießen und staunen, hochwertig designed und mit tollen Fotografien versehen sind ein Herzenstipp meinerseits.

Good to know: Die Beschreibungen sind auf englisch, jedoch nie lang, weshalb sich jede*r einen schnellen Überblick verschaffen kann.


Lea Biermann

Lea Biermann

Redaktion

Seit vielen Jahren schreibt Lea für Redaktionen & Unternehmen.
Bei Glücksmomente Charmingplaces erzählt Lea am liebsten über Menschen und ihre Leidenschaft, sowie Bücher oder Filme, die direkt ins Herz gehen.

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