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Einfach malerisch: Cassis und die Calanques an der Côte d’Azur

Geheimtipp Cassis und die Calanques - Côte d'Azur

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Header-Bild “Geheimtipp Cassis”: Paul Signac – The Jetty at Cassis, Opus 198, Public domain, via Wikimedia Commons

Zwischen Cassis, dem kleinen Hafenstädtchen mit rund 7.500 Einwohnern und der Millionenmetropole Marseille liegt eine der schönsten Landschaften in Frankreich: das Massif des Calanques.

Auf rund 20 Kilometer Länge erstreckt sich eine Steilküste von wilder Schönheit: Blendendweiße Kalksteinfelsen ragen aus dem türkisblauen Mittelmeer; schmale, fjordähnliche Meeresbuchten reichen weit ins Landesinnere. Der Kontrast zwischen den sanften Weinbergen des Hinterlands und den schroffen Küstenklippen könnte kaum größer sein.

Aber nicht nur im Umland, auch im verträumten Fischerort Cassis finden sich malerische Motive. Vor der felsigen Kulisse wirkt die Häuserreihe an der Mole wie eine gebaute Klippe – Architektur und Natur verschmelzen aufs Schönste.

Die filigranen Schiffsmasten im Hafen bilden einen reizvollen Gegensatz zu den massiven Steilwänden des Cap Canaille. Und hinter dieser ockergelben, fast 400 Meter hohen Felsbarriere geht das Meer in das endlose Blau des Himmels über…

Ausgewählte Erlebnistipps in und um Cassis finden Sie auch in unserem Artikel: Sorgenlos an der Côte d’Azur.

Kunstgeschichtlicher Exkurs: Maler in Cassis

Bei solch landschaftlicher Schönheit verwundert es nicht, dass die Provence und die Côte d’Azur bereits im 19. und 20. Jahrhundert ein beliebtes Sujet französischer Künstler war.

Bevor Cassis 1859 ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, kamen die Maler meist aus der Nähe. Vertreter der Marseiller Schule verewigten die Küste von Cassis in ihren Gemälden – unter ihnen Émile Loubon, der als Begründer der provenzalischen Landschaftsmalerei gilt.

Sein Schüler Raphaël Ponson wurde als „Maler der Calanques“ bekannt. Wagemutig stieg Ponson die steilen unbefestigten Pfade hinab, um seine Staffelei an besonders schönen Plätzen aufzustellen. Er malte die großen Calanques Port-Pin, d‘En-Vau, Sormiou und Morgiou, welche bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft eingebüßt haben.

Loubon beeinflusste auch Adolphe Monticelli, der die Küste und den Hafen von Cassis mit kräftigen Pinselstrichen festhielt. In seinem Werk lassen sich bereits die Anfänge des Impressionismus erkennen.

Um die Jahrhundertwende fanden Künstler der Pariser Schule den Weg an die Côte d’Azur. Paul Signac, einer der bedeutendsten Vertreter des Neo-Impressionismus, schuf in Cassis pointilistische Gemälde – wobei sein Augenmerk auf dem Meer und der Küste ruhte.

André Derain, der im Sommer 1907 mehrere Wochen vor Ort verbrachte, malte die Bucht von Cassis hingegen aus der Perspektive des Hinterlands – in der für den Fauvismus typischen grellen Farbigkeit und flächigen Bildkomposition.

Kräftige, die Natur überhöhende Farben kennzeichnen auch die Werke des Iren Roderic O’Conor. Wie Derain faszinierte ihn die üppige Vegetation im Landesinneren. Das Meer und die Felsküste treten in seinen, mit expressivem Pinselstrich gemalten Bildern in den Hintergrund.

In der damaligen Zeit entwickelte sich die Region zu einem Experimentierfeld der Bildforschung. Das gleißende Sonnenlicht veränderte die Wahrnehmung von Farbe und Form. Der zerfließende Bildeindruck des Impressionismus wurde durch einen kräftigen Zusammenklang von Farbflächen abgelöst. Es ist ein Verdienst der Fauves, dass Künstler die Farbe fortan als individuelles Ausdrucksmittel betrachteten.

Und vielleicht wäre ohne das typische provenzalische Licht, das Konturen und Flächen mit geometrischer Präzision hervortreten lässt, der Kubismus gar nicht erst entstanden.

André Derain stand in engem Austausch mit Pablo Picasso und Georges Braque. Sie gelten als Erfinder dieser Stilrichtung – der vielleicht revolutionärsten in der Geschichte der modernen Malerei.

Braque begab sich 1907 auf eine Künstlerreise entlang der Südküste Frankreichs, von L’Estaque über Cassis nach La Ciotat. Im Licht der Provence nahmen seine Landschaftsbilder zunehmend ungegenständliche Farben und Formen an. Seine Malweise hatte nichts mehr mit den Erscheinungsfarben der Dinge im Licht und der illusionistischen Perspektive zu tun, die noch die Gemälde der Impressionisten zeigten. Braque und Picasso schufen eine neue, abstrakte Darstellung der Welt.

Dass inmitten dieser grandiosen Landschaft Kunstgeschichte geschrieben wurde, macht die Calanques umso reisenswerter. Natur- und Kulturbegeisterte kommen hier gleichermaßen auf ihre Kosten. Cassis rühmt sich damit, dass über 200 Maler das Dorf porträtiert haben und bietet eine Stadtführung auf den Spuren der Künstler (nicht ganzjährig verfügbar) an.

Wer es urbaner mag, der betrachtet die Werke der provenzalischen Maler im nahen Marseille. Das Musée Regards de Provence zeigt ausschließlich regionale Kunst. Auch im Musée des Beaux Arts und Musée Cantini sind Meisterwerke mit Motiven aus der Gegend zu finden.

Mein Geheimtipp Cassis

Verbinden Sie Kultur- und Naturgenuss! Wie wäre es nach dem Museumsbesuch mit einer Wanderung von Marseille nach Cassis, um die Bildinhalte wiederzufinden?

Der Weitwanderweg GR 98-51 führt 28 Kilometer hoch oberhalb der Steilküste durch den Parc National des Calanques. Von ihm aus können Sie in die schönsten Buchten hinabsteigen und sich mit einem Bad im Meer erfrischen.

Im Hochsommer ist zu beachten, dass der Zugang zu einigen Calanques geregelt wird. Aktuelle Informationen bietet die Website des Nationalparks. Informativ ist auch dieser private Online-Wanderführer.

Künstlerische Exkursion: Malen in Cassis

Wenn es Ihnen nun in den Fingern juckt, selbst zum Stift oder Pinsel zu greifen, dann empfehle ich Ihnen die Vereinigung „L’art et la manière (www.peindreacassis.com)“. Künstlerin und Leiterin Fabienne Butin bietet in Cassis ein- bis viertägige Malkurse an, inklusive Exkursionen in die Calanques oder ins Hinterland. Ein echter Geheimtipp, denn die Teilnehmer sind überwiegend Franzosen.

Auch im Ort selbst wird im Freien gemalt, zum Beispiel am Hafen mit Blick auf den Leuchtturm oder unter einer Platane auf dem sogenannten „Place aux Peintres“. Hier finden seit 1995 mehrmals jährlich Kunstausstellungen (www.peindreacassis.com) statt, bei denen die Exponate auch erworben werden können.

Welche Rolle die Region auch heute noch in der Kunstszene spielt, zeigt ein Blick in die Online Kunstgalerie Singulart. Unter den Suchbegriffen „Calanques“ und „Cassis“ finden sich unzählige Werke zeitgenössischer Maler. Holen Sie sich die Farben des Südens nach Hause!


Mareike Dietrich

Textgestalterin – Autorin

Als Innenarchitektin und Texterin gestaltet Mareike Ideen, Räume und Sprache. Für Glücksmomente Charmingplaces berichtet sie über alles, was ihr am Herzen liegt und sie selbst glücklich macht.

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