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Ortasee – zwischen Alpen, echtem Piemont & Lago-Flair

Ortasee

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Würden Sie „Ortasee“ in die Suchmaschine tippen und jedes Mal, wenn im Suchergebnis „Geheimtipp“ oder „kleiner Bruder des Lago Maggiore“ steht, einen Schluck guten Barolo trinken – nun – am Ende hätten Sie einen gewaltigen Schwips.

So ganz kauft man dem Ortasee – italienisch Lago d’Orta – darum seine Rolle als stiefmütterlich behandelter Außenseiter der oberitalienischen Gewässer nicht ab. Zu bekannt sind seine großen Nachbarn, als dass da niemand auf die Idee kommen würde, den Katzensprung Richtung Orta zu wagen, der auf der Landkarte kaum mehr als einer Pfütze gleicht.

Und doch – oder gerade deshalb – hat sich der Ortasee etwas Eigenes erschaffen, was die Lagos Maggiore, Como und Konsortien nicht haben.

Der See hat sich unter die Top Adressen für jene gemausert, die das ländliche Piemont zu schätzen wissen und trotzdem ein wenig italienisches Promenaden-Flair genießen wollen. Und das alles ganz entspannt.

Erlebnistipps Ortasee

Warum das gerade am Lago d’Orta gelingt, steht in der Geschichte und Lage des Sees geschrieben. Zwar reichen die Siedlungen am Ortasee bis in die Bronzezeit zurück und auch das Römische Reich hinterließ seine Spuren, doch waren die Steilhänge stets dünn bewohnt.

Die Ortschaften um den See lagen viele Jahrhunderte abgeschnitten (der 1490 Meter hohen Berg Mottarone trennt ihn vom Lago Maggiore und auf der anderen Seite erhebt sich das zweithöchste Massiv der Alpen) und bis heute ist die Provinz Verbano-Cusio-Ossola, die am wenigsten bevölkerte der Region, obwohl sie nicht die kleinste ist.

Hin und wieder bekommt man zu hören, dass der Ortasee und seine Umgebung gänzlich als Teil des Piemont vergessen werden. Ein grober Fehler, da sie mit ihrer landwirtschaftlichen Prägung, dem vielfältigen Waldwuchs, großartigem Wein und allerlei Kulturschätzen ein Aushängeschild der Region sein könnten.

Letztere, einige prachtvolle Villen, kleine Paläste und Parks entstanden am Seeufer, da sich italienische Adlige hierhin zurückzogen, wenn die Pest ihr Unwesen in den Städten trieb – und weil der große Nachbarsee schon damals eine „maggiore“ Menge Menschen anzog. Rund um den Lago d’Orta gab es damals nur Landwirtschaft und Fischfang.

Unglücklicherweise sollte ausgerechnet dieses „gesunde“ Image des Sees ein paar Jahrhunderte später regelrecht eintrüben. 1927 ließ sich ein deutsches Textilunternehmen zur Herstellung von Kunstseide am Lago d’Orta nieder und leitete mit ihren Abwässern Kupfer und andere Schadstoffe in den See mit entsprechenden Folgen.

In den 80ern jedoch begann ein Klärwerk das Gewässer zu reinigen und der PH Wert regenerierte allmählich. Heute gilt der See sogar als besonders sauber und wird wieder von Pflanzen und Tieren bewohnt.

Urlaub am Ortasee

Auch wenn man in Anbetracht solcher Geschehnisse dieser Tage schnell ins Kopfschütteln kommt, haben die Summe dieser Entwicklungen vielleicht dazu beigetragen, dass die touristischen Pfade eher einen Bogen um das Gewässer machten – bis Abgeschiedenheit zum populären Faktor wurde.

Aber auch die Menschen, die um den See leben, identifizierten sich längst mit ihrem Renommee als „klein aber fein“ und die Gemeinden an den Ufern und in den Hängen hatten kein Interesse an großen Hotel-Palästen oder Luxusboutiquen an ihren Promenaden.

Stattdessen stehen sie zu ihren landwirtschaftlichen Wurzeln und laden Gäste gerne auf ein Glas oder besser gleich eine ganze Flasche heimischen Wein und regionale Spezialitäten ein.

So sitzt man vor den gemütlichen Cafés, auf den gepflasterten Plätzen, an kleinen Tischen, zwischen denen freundliche Camerière gemütlich Espressi und Aperitivos hin und her tragen, keineswegs alleine. Aber die Gelassenheit, die sich rund um den See breit gemacht hat, ergreift auch von einem Besitz.

Schnell erwischt man sich hier dabei, jedem Trubel und Chichi abzuwinken.

Da keine Straße um den ganzen See führt, ist man schneller mit der Fähre, statt mit viel PS auf Rädern. Die schönsten Plätze erreicht man ohnehin zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Die steilen Gassen sind nicht gemacht für schickes Schuhwerk – die Weinberge oder die Wanderstrecken genauso.

Wassersport-Fans kommen auf ihre Kosten und auch für die Genießer-Fraktion ist Einiges geboten. Hier lohnt es sich doch hin und wieder mit dem Auto in den umliegenden Hügeln Winzer und Restaurants abzufahren.

Dabei kommt man durch die abgeschiedenen Bergdörfer oberhalb des Lago d’Orta, in denen die Zeit in manchen Winkeln endgültig stehengeblieben zu sein scheint. Rustikale Idylle, kaum Menschen, das Wasser kann man nur noch zwischen den dicht bewachsenen Hügeln und alten Steinmauern erahnen.

Hier macht der Ortasee seinem Ruf alle Ehre. In Italien trägt er den Spitznamen „Cenerentola“. Aschenputtel. Ein Mädchen im Schatten seiner verwöhnten Stiefschwestern. Wir wissen wie die Geschichte ausgeht.

Lago d’Orta & seine wichtigsten Orte

Um den 13 Kilometer langen und meist 1,5 Kilometer breiten Ortasee liegen unmittelbar vier Ortschaften.

Kaum vorbei kommt man an der Gemeinde Orta San Giulio, die Mitglied der Vereinigung „I borghi più belli d’Italia“ ist, welche Dörfer mit besonders hohem kulturellem Wert in Italien auszeichnet.

Besonders bekannt ist Orta San Giulio für den 400 Meter hohen Sacro Monte d’Orta, auf dem 20 Kapellen Franz von Assisi die Ehre erweisen.

Einen Besuch wert ist die bezaubernde Ortschaft jedoch auch wegen ihrer hübschen bemalten Fassaden, der Architektur der Villa Crespi, die ein sichtbares Beispiel der orientalisierten Architektur in Italien darstellt und natürlich der Piazza Mario Motta, auf der es sich ganz wunderbar verweilen lässt und seit dem Jahr 1228 jeden Mittwoch der Wochenmarkt stattfindet.

Beinahe zum Durchwaten nahe liegt die kleine Isola di San Giulio – aber keine Sorge, es setzen regelmäßig Schiffe über. Auf ihr stehen ein Kloster und ein paar wenige private Ferienhäuser. Ein „stiller“ Rundgang lädt zum Bummel auf der Insel und zum in sich gehen ein.

Die Ortschaften Pettenasco und Pella sind die zwei ruhigeren Gemeinden, in denen es neben gemütlichen Stadtkernen, ein bisschen Gastronomie und Stränden nicht viel zu entdecken gibt – dafür bieten sie Urlauber*innen umso mehr Ruhe.

Gut zu wissen: Da keine Straße ganz um den See führt, gibt es in Pella außerdem keinen Durchfahrtsverkehr. Am Ende der Welt im besten Sinne.

Ein bisschen städtischen Trubel wiederum bietet die Gemeinde Omegna am Nordende des Ortasees, die immerhin rund 15.000 Einwohner*innen zählt und an der einst auch besagte, see-verschmutzende Fabriken standen. Noch heute sind bekannte Hersteller in Omegna angesiedelt – dazu gleich mehr.

In den Hängen der Berge um den See finden Sie außerdem neun kleinere Ortschaften, deren Erkundung sich durchaus lohnt. Neben ländlicher Idylle, geschichtsträchtigen Gebäuden, dem ein oder anderen Restaurant, kann man hier sogar Museen entdecken.  

Wem die ganze Ruhe doch auf den Kopf fallen sollte, erreicht außerdem in knapp 40 Autominuten den Lago Maggiore oder in eineinhalb Stunden Mailand.

Die Heimat „der“ Espressokanne

Der Ortasee hat ein besonderes Ass im Ärmel, mit dem er Gäste gerne und immer wieder überrascht.

Besagte Metallfabriken, die in den 50er Jahren an den Ufern groß wurden, sind weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt geworden. Zwar wird heute meist anderenorts produziert, jedoch gibt es bis heute Fabrik-Outlets in Omegna.

Bereit zur Schnäppchenjagd? Dann auf zu Bialetti, Alessi, Lagostina und Piazza.

Wandern am Ortasee

Dank seiner unmittelbaren Alpenlage auf der einen Seite und den etwas gemütlicheren Mottarone auf der anderen, ist ein Aufenthalt am Lago d’Orta der ideale Anlass, um mal wieder die Wanderschuhe zu schnüren.

Wer also eher einen ausgedehnten Wander-Spaziergang bevorzugt, dem sei geraten, am Ostufer, auf dem Berg, der den Ortasee vom Lago Maggiore trennt, die vergleichsweise flache Wald- und Wiesen-Landschaft zu erkunden. Hier finden Sie die charakteristische Landschaft des Piemont mit all seiner Flora und Fauna.

Dank des milden Klimas können wanderlustige Gäste dies auch den ganzen Sommer über tun.

Einmal den Gipfel des Mottarone zu erklimmen,  lohnt sich auch wegen der tollen Aussicht. Ansonsten gibt es aber auch zahlreiche kleinere Routen rund um den See, die vorbei an kleinen Orten führen und so Möglichkeiten zur Rast schenken.

An der Westseite erhebt sich der Monte Rosa, das zweithöchste Bergmassiv der Alpen! Der steile Aufstieg lohnt sich jedoch allemal, da in der steinigen Welt zauberhafte alpine Landschaften warten.

Zu empfehlen ist das Ossola-Tal mit seinen stillen Landschaften, idyllischen Plätzen an Seen oder Wasserfällen und kleinen Bergdörfern. Unsere liebste Strecke führt von der Alpe Devero rund um den gleichnamigen See.

In & auf dem See

Wen es mehr zum Wasser zieht, findet hier eine Auflistung der schönsten Einstiege zum Baden. Vom Stadtstrand zum kleinen privaten Einstieg – trotz seiner Größe kann der Lago d’Orta sämtlichen Bedürfnissen entgegenkommen.

Dank seines klaren Wassers ist der Ortasee sehr beliebt bei Badegästen, die sich auch über ein zunehmendes Angebot an Wassersport freuen dürfen.

Am „Orta Beach“ kommen Sie – was das angeht – auf ihre Kosten, jedoch erinnert dieser Uferabschnitt sehr an die typischen Touristen-Strände Italiens. Wer es etwas ruhiger möchte, findet auf der anderen Seite schmale Sandstreifen, zum Beispiel bei Pella.

Statt großem Strandurlaub würden wir jedoch empfehlen, eine kleine Bootstour auf dem See zu unternehmen. Neben regulären Angeboten, können Sie auch private Rundfahrten mieten. Diese planen mit Ihnen gerne eine individuelle Tour und verpflegen Sie mit Aperitifs.

Kulinarische Erlebnisse

Sie werden es ahnen – um den Lago d’Orta gibt es jede Menge Adressen, an denen man gut speisen kann. Schließlich sind wir im Piemont.

Tolle Salami und Käse aus der Region, Trüffelspeisen, Agnolotti (wie Ravioli), Risotto, Gianduiotti (Nougatpralinen mit Haselnüssen), Eintöpfe, in denen Fleisch in Wein geschmort wird. Apropos Wein – Barolo und Barbaresco von der Nebbiolo-Traube sind hier Vorreiter und es gibt herausragende Exemplare ihrer Art.

Alles in allem ist die Liste der kulinarischen Erlebnisse im Piemont lang.

Ein paar Adressen unmittelbar um den See haben wir dennoch für Sie herausgesucht. Das Ai Due Santi an der bereits erwähnten Piazza Mario Motta mitten in Orta San Giulio halten wir für einen guten Start am Lago d’Orta. Feine, regionale Küche, elegant, mitten im typisch italienischen Flair der Ortschaft mit Blick auf das Wasser.

Das etwas ländlichere Pendant dazu ist der Gasthof Il Cucchiaio di Legno unweit von Orta San Giulio. Authentische piemontesische Hausmannskost in gemütlicher Atmosphäre erobern schnell die kulinarischen Herzen.

Wer es richtig schick möchte, kann nicht nur die orientalisch anmutende Fassade der Villa Crespi bestaunen, sondern auch im hauseigenen Restaurant essen. Die Villa beherbergt ein Hotel und das dazugehörige Restaurant ist neuerdings sogar mit dem dritten Stern von Michelin ausgezeichnet. Kunst auf dem Teller der Meisterklasse! 

Unser Herzenstipp ist jedoch das Restaurant unseres Charmingplace „La Darbia“, das auch für externe Gäste geöffnet hat, falls Sie anderenorts untergekommen sind.

Küchenchef Matteo Monfrinotti verzaubert in „La Cucina“ die Gäste reihenweise und der Blick über den See ist einfach phänomenal. Regionale Zutaten, unverfälschte Gerichte, Gourmet Niveau.

Piemont im Herbst

Weinlese, Trüffelsaison, bunte Wälder bei vergleichsweise milden Temperaturen. Meine liebste Reisezeit für das Piemont ist der Herbst.

Ergreifen Sie die Gelegenheit und ernten Sie gemeinsam im hauseigenen Weinberg von „La Darbia“ dessen Trauben. Danach gibt es ein gemeinsames Festmahl an langen Tafeln im Freien. Ein unvergessliches Erlebnis.

Ein schöner Ausflug ist auch einen echten „Truffelhunter“ zu begleiten. Diese gleichnamige Doku vermittelt außerdem spannende Einblicke in die Szene und tolle Bilder des ländlichen Piemont, die auch die Gegend rund um den Ortasee prägen.

Ausflugstipp: Eine Fahrt mit der Centovalli-Bahn

Zwischen Piemont und dem schweizerischen Kanton Tessin verkehrt eine Bahnstrecke namens Centovalli-Bahn, die sich auch lohnt zu fahren, ohne dass man von A nach B muss. Sie führt hoch oben durch eines der schönsten Naturgebiete des nördlichen Italiens.

Circa 52 Kilometer bei moderater Geschwindigkeit können Sie entspannt den wunderschönen Ausblick genießen und vielleicht sogar hier oder dort aussteigen, um die Gegend zu erkunden. Unsere Gastgeber von „La Darbia“ haben hier das Erlebnis eindrücklich geschildert.


Lea Biermann

Lea Biermann

Redaktion

Seit vielen Jahren schreibt Lea für Redaktionen & Unternehmen.
Bei Glücksmomente Charmingplaces erzählt Lea am liebsten über Menschen und ihre Leidenschaft, sowie Bücher oder Filme, die direkt ins Herz gehen.

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2 Kommentare

  1. Wie empfehlenswert ist eine Reise nach Ortasee in Italien, Anfang April ?

    1. Im Grunde kann ich die ganze Saison empfehlen, als in jedem Fall April-Oktober/ November. Liebe Grüße, Anja Fischer