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Die bewegte Geschichte des Schloss Duttenstein: von einer Urkatastrophe vor 15 Millionen Jahren bis zur heutigen Event-Location auf der Schwäbischen Alb
Lautlos rast der einen Kilometer große Meteorit durch unser Sonnensystem. So massiv ist er, dass er von seinem eigenen Mond umkreist wird. Mit 70.000 Kilometern pro Stunde schießt das Ungetüm auf die Erde zu.
Dort, wo 15 Millionen Jahre später Süddeutschland sein wird, ahnen die Bewohner der subtropischen Sumpflandschaft noch nichts von ihrem Schicksal. Im deutschen Mittel-Miozän tummeln sich exotische Urtiere. Säbelzahntiger teilen sich das Jagdrevier mit Bärenhunden, zwei Meter große Krallentiere fressen Blätter von den Bäumen. Zitzenzahn-Elefanten leben friedlich neben Nashörnern. Kleine Nager verstecken sich im Gebüsch, Pelikane, Schildkröten und Krokodile räkeln sich in der Sonne.
Wer nicht allzu genau hinschaut, könnte meinen, irgendwo im heutigen Florida zu sein. Es sind paradiesische Zustände – wäre da nicht die Bedrohung aus dem All. Bis zuletzt wissen die urzeitlichen Erdenbewohner nicht, dass sie dem Untergang geweiht sind.
Mit der Wucht von 250.000 Hiroshimabomben schlägt der Meteorit ein und bohrt sich mehrere Kilometer tief in den Boden. Die Trümmer fliegen 400 Kilometer weit in alle Richtungen, bis ins heutige Österreich und nach Böhmen. Der Meteorit wird regelrecht pulverisiert, der Boden zerfetzt.
Tonnenschwere Kalkblöcke schlagen in der Umgebung ein und gleich darauf geht ein Glut- und Säureregen nieder. Eine 20.000 Grad heiße Glutwolke tötet alles, was im Umkreis von mehreren Dutzend Kilometern rund um den Einschlagort lebt. Der entstandene Krater ist 24 Kilometer breit: das Nördlinger Ries.
Der Mond des Meteoriten, eine massive Eisenkugel, schlägt 40 Kilometer südwestlich vom Ries ein. Diese fast vier Kilometer breite Kuhle kennen wir heute als das Steinheimer Becken.
In der im Zentrum des Nördlinger Ries gelegenen Stadt Nördlingen sind heute noch viele Gebäude aus Gesteinsbrocken des Meteoriteneinschlags erbaut. Sie enthalten Diamantsplitter, die einst durch den immensen Druck der Bombe aus dem All entstanden.
Ein Sinnbild dafür, wie der Kreislauf des Lebens immer wieder neue Ressourcen hervorbringt. Was einst vernichtend war, legte den Grundstein für die Landschaft in Deutschland, wie wir sie heute kennen.
Die Urkatastrophe schnitt die Fränkische Alb von der Schwäbischen Alb ab. Die Wetterscheide bietet nun Schutz vor Wolken und macht die Gegend um Nördlingen zu einer der sonnenreichsten in Deutschland. Bereits die Frühmenschen entdeckten das milde Klima und fühlten sich hier schon zu Hause.
An die 150 Kubikkilometer Erdgestein verteilte der Meteoriteneinschlag in einem Umkreis von 40 Kilometern. Das feine Material, das sich nach dem Meteoriteneinschlag in verschiedenen Schichten niederlegte, schenkte den späteren Bewohnern der Gegend fruchtbare Böden. Und auf einer der großen, bei der Ur-Explosion ausgespiehenen Kalkschollen, wurde Schloss Duttenstein erbaut.
Die mittelalterliche Burg Tuttenstein
Zum ersten Mal taucht das spätere Schloss Duttenstein als Burg Tuttenstein 1374 in den Urkunden auf. Die ritterlichen Herren zu Eglingen werden im 14. Jahrhunderts als Inhaber eines Lehens der Oettinger Grafen in Demmingen und Besitzer von Duttenstein und Wagenhofen genannt.
Schloss Duttenstein: fuggern wie die Fugger
Anno 1564 war von der mittelalterlichen Burg Tuttenstein wohl nicht mehr viel mehr übrig als die Grundmauern. Die Fugger bauten von 1564 bis 1572 das heutige Schloss Duttenstein auf den Ruinen der ehemaligen Burg. Oder besser – sie ließen es bauen. Den Auftrag erteilte Graf Hans Fugger. Wer der Baumeister war, ist nicht bis heute überliefert.
In harter Fron wurde das Hochschloss als dreigeschossige mauerumfasste Vierflügelanlage im Stil der Renaissance errichtet. Dazu kamen Zwischenbau, Parkjägerhaus und ein freistehender Uhrturm. Zinngiebel und Erker zieren das Gebäude, eine Ringmauer erstreckt sich um das ganze Schloss. Davor befindet sich das Vorschloss mit Schlosshof und das Haus, in dem einst das Gesinde untergebracht war.
Die Steine für den Bau lieferten die Überbleibsel der „Alten Bürg“, und die Arbeitskraft unfreie Arbeiter, die unter der Herrschaft der Fugger acht Jahre lang auf der Baustelle schuften mussten. Dabei hatten die Ausgebeuteten noch Glück, denn in der Regel nutzten die Fugger die Zwangsarbeiter im Bergbau von Silber, Kupfer und anderen Metallen.
Unfreie Bauern und Bergleute wurden zur harten Fron herangezogen. Das bedeutete härteste Bedingungen für wenig oder gar keinen Lohn und ohne die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln. Die harte Fron diente den Fuggern dazu, die Profitabilität der Bergwerke zu maximieren und die Baukosten der Immobilienprojekte niedrig zu halten.
Indessen stieg der Reichtum der Fuggerfamilie, was zu deren wirtschaftlicher Macht und zum Aufstieg beitrug. Bereits 1525, als Dynastie-Gründer Jakob Fugger und seine Brüder starben, besaß die Familie mehr als zwei Millionen Gulden. Heute wären das mehrere Milliarden Euro.
Die horrenden Arbeitsbedingungen lösten derweil großen Unmut bei der Bevölkerung aus, so dass „fuggern” zum Schimpfwort wurde und so viel wie „betrügen” bedeutete.
Mit dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert wurde halb Europa verwüstet. Die Fugger, als clevere Geschäftsleute, zogen sich aus weniger profitablen Investitionen zurück und veräußerten auch Schloss Duttenstein. Im Jahr 1734 erwarben die Fürsten Thurn und Taxis das Anwesen.
1792: ein neuer Look für das Jagdschloss
Ab 1792 gestaltete Karl Anselm Fürst von Thurn und Taxis das Schloss Duttenstein nach dem Geschmack seiner Zeit um. Dabei standen die Jagdfreuden im Mittelpunkt.
Er engagierte den Augsburger Maler und Akademiedirektor Johann Anton Huber, der die Fürstenzimmer im dritten Obergeschoss mit Fresken dekorierte. Tier- und Landschaftsmotive waren passend zum Kontext im Fokus der modernen illusionistischen Wandgestaltung. Sie unterstreicht die architektonischen Charakteristiken des Schlosses und harmoniert mit dem Ausblick aus den Fenstern.
Die idealisierten Landschaftsbilder sind einerseits akademisch streng komponiert. Andererseits ist unverkennbar die umliegende Landschaft darin wiederzuerkennen. Gleichzeitig fehlen auch nicht Sinnbilder, wie der Postbote, der mit seiner Präsenz in den Malereien von der zeitgenössischen Lebensanschauung und Weltoffenheit des Malers und dessen Auftraggeber steht.
Für den Maler Huber bedeutete die Freskenmalerei im Schloss eine einzigartige Gelegenheit für den Sprung auf der Karriereleiter. Er hatte die Chance, sein Können als Tier- und Landschaftsmaler unter Beweis zu stellen, nachdem er in der Vergangenheit vor allem religiöse und historische Szenen gemalt hatte.
Noch heute ist die Einrichtung des gesamten Schlosses an den Pastellfarben seiner mittlerweile über 200 Jahre alten Wandmalereien inspiriert. Die Perfektion, mit der die Bilder auf die Räumlichkeiten und auf die Umgebung abgestimmt sind, bleibt von zeitloser Aktualität.
Das Schloss bekam seine heutige Widmung als Jagdschloss mit dem vom Fürsten Thurn und Taxis angelegten Wildpark, denn es wurde für dessen Jagdaufenthalte benutzt. Von Mai bis Oktober unterhielt der Adlige jedes Jahr seinen Hof mit einem Gefolge von 400 Leuten, die ihm von Regensburg hierher folgten.
So viele Mäuler mussten gestopft werden und dementsprechend dicht war der Wildbestand im Jagdrevier. Weil die Tiere aber auch großen Wildschaden verursachten, gab es zahlreiche Klagen der Bauern und Bürger aus der Umgebung.
So bekam 1817 der Oberförster in Dischingen den Auftrag für die Planung eines Rotwildparks in Duttenstein von Karl Anselms Nachfolger Karl Alexander von Thurn und Taxis. Das sollte Kosten bei der Jagd sparen und die Nachbarn schützen. Ein neun Kilometer langer Zaun aus Holz rund um das Jagdschloss hielt nun das Wild in Schussweite und die Felder der Bauern in Sicherheit. Die Zaunlänge ist bis heute gleich geblieben.
Zwischen 1831 und 1832 wurde das Schloss neu eingerichtet und diente als Zufluchtsstätte vor der drohenden Cholera. Quarantänemaßnahmen waren bereits damals üblich und die Choleraepidemie des 19. Jahrhunderts war eine weltweite Pandemie.
Die Praxis, Zuflucht in ländlichen Gebieten oder in Festungen zu suchen, um sich vor der Ansteckung zu schützen, ist mehrfach überliefert.
Schloss Duttenstein im 20. Jahrhundert
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs, zwischen 1944 und 1945, wurde das Schloss Duttenstein von der SS besetzt. Ein Grund dafür könnte die Ablehnung des Nationalsozialismus durch das Haus Thurn und Taxis gewesen sein. Nach dem Krieg waren hauptsächlich aus Polen verschleppte Juden darin untergebracht.
1947 richteten die Mitglieder des Ordens der Barmherzigen Brüder, die aus Oberschlesien vertrieben worden waren, eine Lungenheilstätte im Schloss Duttenstein ein, die bis 1972 aktiv war. Danach war das Anwesen lange Zeit verpachtet und stand schließlich leer.
Mitte der 90er-Jahre befand sich das Schloss nach langer Vernachlässigung in einem desolaten Zustand und wurde an eine Sekte vermietet, die das Gebäude jedoch nicht halten konnte, da die Auflagen des Denkmalamts nicht erfüllt wurden.
Frischer Wind im Schloss
Heute gehören Schloss Duttenstein und der umliegende Wildpark der Wildpark Duttenstein GmbH. In den letzten beiden Jahren wurde das Gebäude umfassend restauriert und mit modernen Annehmlichkeiten ergänzt, wobei die Essenz des Schlosses nicht nur erhalten, sondern auch zu großen Teilen zu neuem Glanz gebracht wurde.
Für Events, Hochzeiten und als Jagdschloss kann das Bauwerk angemietet werden und kommt damit zu seiner ursprünglichen Widmung zurück. Nur, dass heute nicht nur Adlige und Multimilliardäre die Magie des Schlosses bei Dischingen genießen können, sondern auch Normalsterbliche hier Geburtstage feiern oder Geschäftstreffen abhalten können.
Zeitgemäßer Komfort und der Charme längst vergangener Zeiten vermischen sich in diesem Rückzugsort, der einem Märchenschloss gleicht.
Als Jagdgebiet war die typische Grießbuckellandschaft, die mit dem Meteoriteneinschlag vor 15 Millionen Jahren entstanden ist, schon im Mittelalter besonders spannend. Heute bietet die Firma Zeiss jedes Jahr Seminare in Duttenstein für Jagdscheinanwärter und Jungjäger an.
Der 500 Hektar große Wildpark mit Damwild und Mufflons ist jedoch auch täglich von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang für die Öffentlichkeit zugänglich und ein beliebtes Ausflugsziel für Spaziergänger und Wanderer. Manch einer, der die Geschichte kennt, muss an Säbelzahntiger und Krallentiere denken, wenn er dem friedlichen Rotwild beim Grasen zusieht.
Unsere Lesetipps zur Schwäbischen Alb
Lydia Stöflmayr
Texterin & Autorin
Lydia ist freie Texterin, Autorin und Dolmetscherin. Sie liebt es, neue Sprachen, Kulturen und Mentalitäten kennenzulernen. Dabei spielt Sprache eine wesentliche Rolle und eben vor allem die richtigen Worte zu finden. Diese Aufgabe hat sie zu ihrer Profession gemacht.
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Ein Kommentar
Toller Beitrag! Das sieht wirklich super schön aus! Im Sommer werde ich beruflich in der schwäbischen Alb sein, da ich Berufskraftfahrerin bin und unsere neuen Elektro LKW von https://www.volvotrucks.de/de-de/trucks/electric.html ausprobieren soll, die sich meine Flotte vor kurzem angeschafft hat. Da ich dort wahrscheinlich auch ein paar Tage sein werde, such ich gerade nach schönen Ausflugszielen, die ich nach Feierabend besuchen kann. Die Umgebung sieht auf den Fotos von dir ja auch wirklich ansprechend aus, ich denke das wäre ein toller Ort, an dem ich ein bisschen was sehen kann. Danke für den Tipp!