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Titelbild: Pool, dessen Wände teilweise von natürlichen Felsen gebildet wurden. 1966 © Archiv Enzo Satta
Es gibt am Mittelmeer einige Orte, die eine nostalgische Aura umgibt. Geschuldet den zahlreichen Filmen der 50er und 60er Jahre, die auf der griechischen Insel Hydra, der Amalfi-Küste oder der Côte d’Azur spielen und den Jetset der goldenen Ära allsommerlich in die idyllischen Fischerorte lockte. Man könnte nun meinen, dass das touristische Erblühen der Costa Smeralda auf Sardinien einen ähnlichen Werdegang hatte. Ein paar Jahre später, weil die Prominenz vielleicht neue Plätze suchte, wo sie Ruhm und Reichtum vorführen und gleichzeitig vergessen konnten.
Jedoch unterscheidet sich die Küste mit dem namensgebenden smaragdfarbenen Wasser in zweierlei Hinsicht. Bis heute ist sie Treff- und Anziehungspunkt internationaler High-Society und gleichzeitig hat sie wenig von ihrem ursprünglichen Flair eingebüßt, denn Orte wie Porto Cervo haben sich auf den ersten Blick wenig verändert. Der Grund liegt im zweiten Unterschied. Bevor die Costa Smeralda bekannt wurde, gab es hier kein Dorf mit Einheimischen, durch das die Brigitte Bardots jener Zeit hätten flanieren können. Bis in die 1960er Jahre gab es an der nordöstlichen Küste Sardiniens nur Granitgestein und mediterranes Gewächs. Dann kam Prinz Karim Aga Khan IV und schuf mit der Costa Smeralda ein touristisches Konzept einer neuen Zeit.
Die Küste des Prinzen
Als der arabische Prinz Karim Aga Khan IV in den 1960ern zufällig in der sardischen Bucht anlegte, soll er sich sofort in das türkisgrüne Wasser, die weißen Strände, die mediterran bewachsenen Hügel und die rosa Granit-Felsen verliebt haben. Wie es sich für echte Prinzen-Liebe gehört, setzte Aga Khan alles in Bewegung, dass er diesen paradiesischen Flecken Erde sein Eigen nennen darf. Tatsächlich kaufte Aga Khan das damals wertlose Küstenland für wenige Millionen Lira (umgerechnet ein paar Tausend D-Mark) von den einheimischen Schäfern, die sich in dem bis ins 20. Jahrhundert weitest unbewohnten Hinterland niedergelassen hatten. Dazu muss man wissen, dass die Sarden ein hart arbeitendes Volk der Landwirtschaft sind. Zwar wussten sie um die Schönheit der wild-schönen Macchia, jedoch war das Land zur Bewirtschaftung unbrauchbar.
So überließen Sie dem jungen geschäftstüchtigen Prinzen gerne die steinige Küste, der beim Kauf sogar versprochen haben soll, diese zu erhalten. Ob es ihm gelungen ist, kann heute jede*r selbst beurteilen. Jedoch ist die Überlegung relevant, ob eine anders orientierte touristische Erschließung der Region vielleicht Hotelbunker und Trödel aus China gebracht hätte.
Die Vision von Aga Khan, die in den darauffolgenden Jahren an der Küste Realität werden sollte, zeichnet nämlich etwas aus, das ihn von dem Klischee eines rücksichtslosen Geschäftsmannes unterscheidet. Dennoch war er Geschäftsmann und sah in der Costa Smeralda das Potenzial eines Rückzugsorts für sich und seinesgleichen.
Die Vision des Aga Khan
Anfang der 60er waren die Baugründe stark limitiert und die Vorschriften streng. Die Häuser durften nicht mehr als zwei Stockwerke haben, Leitungen und Kabel sollten unterirdisch verlaufen, Werbetafeln waren verboten, keine ortsfremde Flora und Fauna durfte gepflanzt werden und Bauwerke hatten einem bestimmten Stil zu entsprechen, der heute als neosardisch bezeichnet wird.
Architekten und Künstler entwarfen Gebäude nach dem Vorbild sardischer Dörfer. Der Auftrag: Die Häuser sollen sich in die Natur eingliedern, diese würdigen und die naturbelassene Umgebung in den Vordergrund stellen. Das Ergebnis: Flache Gebäude, die mit regionalen, natürlichen Materialen und Techniken erbaut wurden. Ausschließlich helle Erdtöne und oft in organischer Form, vielleicht inspiriert von den Felsformationen, die man hier häufig an den Küsten findet. Den größten Unterschied zu klassischen sardischen Bauwerken zeigt sich in den Terrassen, großen Fenstern, Bögen oder Pools – alle mit Blick auf das türkisgrüne Wasser.
Als Erstes entstand so das mondäne Urlaubs-Städtchen Porto Cervo mit dem bekannten Hotel Cala di Volpe, das bis heute als Zentrum der Costa Smeralda gilt. Denn es sollte nicht lange dauern, bis auch an anderen Stellen Urlaubs-Residenzen wuchsen, nämlich als sich die neue Anlegestelle beim internationalen Jetset herum- sprach. Spätestens als 1977 in „Der Spion, der mich liebte“ der berühmteste Agent der Welt in Porto Cervo gastierte, war es vorbei mit dem Geheimtipp Costa Smeralda.
Eine Chance auf Natürlichkeit: Die Costa Smeralda heute
Während in der Nebensaison wenige hundert Menschen an der Küste leben, tummeln sich jeden Sommer tausende an den Stränden, in den Hotels und Villen. Das Publikum ist nach wie vor reich und das prägt das Leben und die Küste, hält aber den Massentourismus im klassischen Sinne fern. Zwischendrin lebt die Vision von Aga Khan, auch wenn ihm die Küste nicht mehr gehört. Die Costa Smeralda ist bis heute von größeren Bausünden verschont und selbst zwischen all den Yachten kann man ihre natürliche Schönheit erkennen.
Vielleicht ein Grund, warum nach wie vor die internationale High-Society auf der Insel gastiert. 2018 gingen Bilder von Beyonce um die Welt, die an der Costa Smeralda Geburtstag mit ihrer Familie feierte. Ganz natürlich, fast verblüffend normal und fröhlich sieht man die Sängerin auf den Fotos. Es ist die Chance so Urlaub machen zu können, die schon in den 60ern in rustikale Fischerdörfer an Mittelmeer zog und die der Costa Smeralda trotz allem erhalten blieb.
Buchtipp
Die Schweizer Architektin Nele Dechmann hat sich in ihrem Buch Costa Smeralda der Geschichte der Küste angenommen. Die Vision von Aga Khan steht in engem Zusammenhang mit der architektonischen Geschichte. Erstmals zeigt das Buch bisher unveröffentlichte Pläne, Fotografien und Dokumente – ein Schatz für jeden Fan der Costa Smeralda. Detailliert und vielseitig untersucht das Buch den Städtebau, den Bezug zur sardischen Landschaft und die sardischen Einheimischen und Gäste, sowie den Einfluss auf das heutige Sardinien. Darüber hinaus vermittelt das großartige Bildmaterial aus dem Archiv von Architekt Enzo Satta viel Flair der damaligen Zeit.
Costa Smeralda erleben
Die luxuriöse Glamourwelt ist an der Costa Smeralda, speziell in Porto Cervo praktisch nicht zu verfehlen. Jedoch möchten wir Ihnen ein paar besondere Tipps ans Herz legen, wenn Sie die Küste besuchen möchten.
Wie damals
Die Küste so anzutreffen, wie einst Aga Khan hier ankerte, scheint unmöglich. Bloggerin Nicole hat sich jedoch der Herausforderung gestellt und in diesem Artikel einige Wanderrouten vorgestellt, wo sie die „alte Costa Smeralda“ noch entdecken können. Eine wunderschöne Aussicht garantiert außerdem der Monte Moro.
Ein modernes Wahrzeichen
Eine der schönsten Erzeugnisse der architektonischen Geschichte der Costa Smeralda ist die Kirche Santa María di Stella Maris am Hafen von Porto Cervo. Aga Khan entwarf sie gemeinsam mit den Architekten Michele Busiri Vici, Luigi Vietti und Jacques Couëlle, die für das gesamte „neosardische“ Konzept der Costa Smeralda verantwortlich sind. Dementsprechend vereint das Bauwerk die spannenden Ansätze aus asymmetrischen Formen, Naturmaterialien und Einflüssen aus aller Welt. Das Kreuz stammt aus Deutschland, ein Madonnen-Bild aus Spanien (wahrscheinlich von El Greco) und eine Riesenmuschel aus der Nähe von Hawaii als Weihwasserbecken. Vielleicht steckt dahinter eine Botschaft des visionären Imam, der die Kirche erbauen ließ.
Porto Rotondo
Wem das Getümmel der Reichen in Porto Cervo zu viel wird, kann in den idyllischen Touristenort Porto Rotondo (20 km weiter) fliehen. Hier ist es ein wenig entspannter und dennoch typisch Costa Smeralda.
Ein Essen lang den natürlichen Luxus der Costa Smeralda spüren
Wenn Sie sich ein besonderes Erlebnis in Porto Cervo gönnen wollen, empfehlen wir das Fischrestaurant Il Pescatore. Im Herzen der Bucht, direkt am Wasser gelegen, sitzt man einfach traumhaft und das Interieur ist eine Freude für jeden Ästheten und Fan des Stils der Costa Smeralda. Die Küche wiederum zählt zu einer der besten im Ort – was sich in den Preisen widerspiegelt.
Lea Biermann
Redaktion
Seit vielen Jahren schreibt Lea für Redaktionen & Unternehmen.
Bei Glücksmomente Charmingplaces erzählt Lea am liebsten über Menschen und ihre Leidenschaft, sowie Bücher oder Filme, die direkt ins Herz gehen.
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