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Chiavenna – Tor zwischen Alpin & Mediterran

Erlebnistipps Chiavenna

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Gerade noch schienen die Felsspitzen auf Augenhöhe. Zwischen braun-grünen Gräsern und einigen Bergblumen ragt das Massiv immer wieder hervor. Die Luft ist kristallklar. Nicht ein Lebewesen weit und breit.

Hier oben steht die Zeit still, unbeeindruckt von den Entwicklungen in den Tälern, aus denen wir kommen und in welche uns die Serpentinenstraße führt. Nach einigen Kurven scheint das Leben erneut zu erwachen. Bäume ragen rechts und wieder links in die Höhe, während sich der Himmel entfernt. Ganz sanft bereiten sie vor, auf die Welt, die uns am Fuße der Alpen erwartet.

Beinahe plötzlich zeigen sich die ersten Anzeichen eines neuen Landes. In zarte Farben getünchte Fassaden, grüne Fensterläden, sogar eine Palme taucht unweit des Straßenrandes auf. Würden wir anhalten, könnten wir wahrscheinlich sogar schwach den Duft von blühendem Jasmin wahrnehmen.

Auch wenn es heute dank bequemerer Reisewege seltener vorkommt – wer schon einmal über die Berge nach Italien gereist ist, weiß um diesen besonderen Moment. Vielleicht haben Sie auch schon einmal darüber nachgedacht, kurz Rast zu machen und diese besondere Stelle auf sich wirken zu lassen, an der sich Berg und Tal so unmittelbar begegnen. Wie eine Art Pforte zwischen zwei Welten.

Doch meist, seien wir ehrlich, leuchten die Seen oder Regionen weiter südlich so verheißungsvoll am Horizont, dass wir den Moment ungeachtet zurücklassen. Ein Fehler, der jedoch ein paar Neugierigen zu Gute kommt.

Erlebnistipps Chiavenna

Carolin und Timo sind zwei von ihnen. Vor vielen Jahren, eigentlich auf der Durchreise, führte sie ihr Weg an eben diese Stelle. Heute sind die beiden unsere Gastgeber in Chiavenna, einer Kleinstadt, die die Pforte zwischen Berg- und Talwelt markiert.

Dass wir uns den ganzen Zauber nicht einbilden, verrät schon der Name. „Chiave“ ist das italienische Wort für Schlüssel. Tatsächlich galt der Ort als Knotenpunkt der einstigen Handelswege, als man Italien aus dem Norden hauptsächlich über die Pässe Splügen und Maloja erreichen konnte. 1835 gab es in Chiavenna zehn Speditionen.

Als die Straßen jedoch zunehmend durch die Berge statt über sie führten, verlor die Stadt an überregionaler Bedeutung. „Dabei hat Chiavenna die gleichen Vorteile wie früher, nur jetzt für den Tourismus“, meint Timo und Carolin erklärt auch gleich warum. „Wir sind hier auf knapp 300 Metern, dann geht es aber sehr zügig hoch auf 3000.“

Hoch zum Ski fahren oder runter zum See, diese Entscheidung kann man hier so gut wie jeden Tag im Winter aufs neue treffen, berichtet Carolin. Jedoch ist das nicht der einzige Grund der Gegend einen längeren Besuch abzustatten. Beinahe für jedes Bedürfnis ist in 10 Kilometern Umkreis gesorgt.

Anspruchsvolle Wanderungen gibt es genauso wie entspannte Spazierstrecken, Naturfreund*innen können wilde Badestellen oder ursprüngliche Bergdörfer erkunden, man findet sich aber auch in weniger als einer Stunde, einen Aperitivo schlürfend, im mediterranen Gewimmel am Comer See.

Es gibt gleich nebenan, in Madesimo, ein abwechslungsreiches Skigebiet, aber einsame Schneewanderungen im winterlichen Splügental stehen genauso im Programm.

Kulinarik-Fans können auf hohem Niveau speisen, wer nach dem „echten Italien“ sucht, wird schnell fündig. Entdeckergeister kommen auf ihre Kosten, man kann aber auch wunderbar in den Tag leben. Feines trifft auf rustikales. Mediterran auf Alpin. Karge Bergwelt auf blühende Landschaft. Trotzdem ist das Valchiavenna ein tatsächlicher Geheimtipp. Aber wieso?

Nach ihren Jahren im Tal wissen Carolin und Timo auch hierauf eine Antwort. „Zum einen wohnen die Leute hier schon immer und sehen das alles nicht als etwas Besonderes. Zum anderen ist das wirtschaftliche Niveau recht hoch, da viele über die nahe Grenze in der Schweiz arbeiten. Es geht allen gut“, meint Timo. Ergo, es gibt keinen Anlass, sich um touristisches Angebot zu kümmern.

Außerdem schien die Konkurrenz der nahen und berühmten Seen zu hoch. „Hier gibt es auch keine Sommerrodelbahn und es gibt keine Pommes“, ergänzt Carolin. Wie ihre Gäste sehen die beiden das als Gewinn. Denn das Valchiavenna konnte sich so viel „Echtes“ bewahren.

Beim Spaziergang durch die Altstadt kann man das bereits spüren. Eine einladende Atmosphäre erfüllt die Straßen, obwohl Hotelfassaden fehlen und keine Camerière aufgeregt in ihre Lokalitäten winken. Vielleicht braucht es manchmal ein wenig länger, diese echten Orte zu entdecken. Wenn man jedoch auch mal anhält und sich umsieht, wird man sie finden. Ein Halt in Chiavenna lohnt sich allemal.

Die Schlüsselstadt und ihre Schätze

Egal für welche Unternehmung, Chiavenna ist der ideale Ausgangspunkt. Natürlich lohnt es sich auch, die Stadt selbst zu erkunden. Im historischen Zentrum werden Führungen angeboten. Man beobachtet in einer der vielen Bars Aperitivo schlürfend das pulsierende Leben der Altstadt. Viele kleine Läden bieten frische und feine Produkte aus dem Tal an.

Einen Abstecher Wert ist auch der exotische Parco Paradiso, ein etwas anderer Stadtpark, der einen Panoramablick auf die Stadt und die umliegenden Berge freigibt. Oder man genießt die Ruhe in den Säulengängen des Klosters San Lorenzo.

Für Fans des Kulinarischen ist Chiavenna ebenfalls eine gute Adresse. „Hier ist alles auf die Einheimischen ausgerichtet. Deshalb gibt es hier tolle, authentische Küche“, sagen unsere Gastgeber. Eines ihrer liebsten Lokale der Stadt ist das Passerini. Klassische, italienische Küche, gemischt mit regionalen Spezialitäten.

Ein wenig außerhalb von Chiavenna finden Sie die, bereits von Leonardo da Vinci bewunderten Cascate dell’Acquafraggia. Einer der spektakulärsten Wasserfälle in Italien, der über zerklüfteten Fels und viele Stufen knapp 600 Meter in die Tiefe stürzt und auf jeden Fall ins Programm gehört, sagt Carolin.

Ein gut zu begehender Rundwanderweg führt an diesem Naturschauspiel vorbei.

Der führt auch zu dem alten Bergdorf Savogno, das einst komplett verlassen, wieder saisonal bewohnt und gepflegt wird. Es gibt sogar ein kleines Gasthaus, in dem Gäste lokale Spezialitäten serviert bekommen. Ein idealer Ausflug, um sich in das einstige Bergleben einzufühlen.

Kaum vorbei kommt man in dieser Ecke außerdem an dem Palazzo Vertemate, eine der eindrucksvollsten Villen aus dem 16. Jahrhundert der Gegend, die auch von innen besichtigt werden kann.

Die prachtvolle Anlage in der Landschaft des Valchiavenna hat ein besonderes Flair und macht einem erneut eine kleine Zeitreise möglich – diesmal jedoch in eine ganz andere Lebensrealität, als die der rustikalen Bergdörfer nämlich die, der noblen Adelsgeschlechter und Handel treibenden Familien.

Wohin sich eine Wanderung allein wegen des Einkehrens lohnt, ist das Rifugio Uschione, berichtet Carolin. „Ein wunderschönes, altes Dorf auf einer Sonnenterrasse hoch über dem Tal  – wirklich ein kleines Paradies. Der Hüttenwirt Fabrizio ist echt eine Type.

Angeboten werden regionale Speisen, die Zutaten, wie wilder Spargel, oft frisch aus der Umgebung von Fabrizio selbst geerntet. Alle, die da waren, sind total begeistert. Das ist einer meiner Lieblingsplätze.“ Und das Beste: Man kann den knapp eineinhalbstündigen Aufstieg direkt von Chiavenna aus antreten.

Eine Empfehlung für Gourmetfans ist das Weingut Mamete Prevostini. Hier können nicht nur feinste Veltliner Weine verköstigt werden, sondern es speist sich auch hervorragend in dem zugehörigen Restaurant Crotsasc, welches sich in einem, für die Region typischen Crotto befindet.

Timo empfiehlt: „Probiert zum Dessert unbedingt den Süßwein Vertemate. Dessen Trauben stammen ausschließlich aus einem kleinen Weinberg im Vorgarten des Palazzo Vertemate.“

Die Crotti

Das Thema Crotti allein ist eigentlich schon eine Reise ins Valchiavenna wert. Wie der Name erahnen lässt, handelt es sich der regionalen Tradition nach um Naturkeller, die vor geraumer Zeit vor Felsbrocken eines Erdrutsches gebaut wurden.

Zwischen den Steinen kommt ein Luftstrom, der „sorel“, in den Keller, der diesen auf natürliche Weise klimatisiert. Ideal, um Wein, Käse oder Wurst zu lagern, regionale Spezialitäten aber auch wichtige Handelsgüter.

So wurden in den Crotti auch Geschäfte vereinbart oder Feste gefeiert. Da war es naheliegend, dass manche Crotti im Laufe der Zeit zu richtigen Gasträumen, mit Tischen, Leuchten oder sogar einem Kamin umfunktioniert wurden. Bis heute kann man in der Region in den Crotti speisen.

Einmal probiert haben sollten Sie hier auf jeden Fall die Gnocchetti della Valchiavenna, Costine (Schweinsrippchen) aus dem Specksteintopf „Lavecc“ und natürlich den Bresaola – das kulinarische Markenzeichen der Region. Für Süßspeisen-Begeisterte ist die Torta Fioretto ein heißer Tipp.

Jedes Jahr, Anfang September, feiern die Einheimischen außerdem die „Sagra dei Crotti“, ein Volksfest zu Ehren ihrer Traditionen.

Gäste können dabei unter anderem auf organisierten Rundwegen verschiedene (immer noch meist private) Crotti besuchen und erfahren vor Ort allerlei Wissenswertes. Außerdem gibt es bei den diversen Stops natürlich viel Gutes für den Gaumen zu entdecken.

Rund um das Valchiavenna

Das Valchiavenna grenzt nördlich an das Valle Spluga (auch das Val San Giacomo oder im lokalen Dialekt Val di Giüst gennant), das hoch auf den Splügenpass führt, im Osten an das Bergell, das an den Malojapass und damit an das Engadin grenzt, im Süden, nur 17 Kilometer weiter liegt der Comer See und im Westen das wilde Val Bodengo.

Jedes dieser Gebiete hat seine eigenen Vorzüge. Je nach Jahreszeit, Wetterbedingungen und persönlichen Vorlieben können sich Reisende ihr ideales Reiseprogramm zusammenstellen – oder von Carolin und Timo zusammenstellen lassen.

„Wir bieten unseren Gästen immer an, sie persönlich zu beraten. Bis jetzt haben das alle gerne angenommen und waren überrascht, was es für sie in der Gegend alles zu entdecken gibt.“

Zur zusätzlichen Unterstützung pflegen unsere Gastgeber eine App, die allen Gästen ihres Charmingplace Bottonera zur freien Verfügung gestellt wird.

Ausflüge ins Splügental

Unterhalb des Lago di Montespluga am Splügenpass beginnt die Cardinello-Schlucht. Ein schmaler Wanderweg führt durch die beeindruckende Kulisse, die sich zu beiden Seiten erhebt.

Diese Strecke gehört zu den anspruchsvollsten Abschnitten der Via Spluga, einem Fernwanderweg, der auf den einstigen Pfaden der Römer über den Splügen führt. Somit ist ein wenig Trittsicherheit gefragt, jedoch werden Wandernde allemal belohnt.

„Im Winter ist der Pass geschlossen und deshalb ein Traum für Schneewanderungen“, schwärmt Carolin. Die Wege bis Montespluga sind bei Schneefall meist geräumt, ab da ist der Anstieg auf den Pass auch für Ungeübte machbar. Leihoptionen für Schneeschuhe gibt es in Chiavenna.

Noch etwas weiter unten, aber immer noch deutlich oberhalb von Chiavenna liegt die kleine Gemeinde Madesimo. Sie beherbergt ein kleines, aber feines Skigebiet, auf dessen rund 40 Kilometern Pisten Sie sowohl leichte Familienabfahrten unternehmen, als sich auch anspruchsvolle Hänge hinunterstürzen können.

Empfehlung für Genießer ist das einsame Val di Lei sowie für Könner die steile Canalone – eine der schwersten Abfahrten Italiens.

Für einen kleinen Skiausflug vom nur 20 Autominuten entfernten Chiavenna lohnt sich Madesimo also allemal. Vor Ort gibt es auch unterschiedliche Angebote, von geführten Schneewanderungen bis zu Freeride-Touren mit Übernachtung im Schnee.

Für anspruchsvollere Wintersportler*innen, die noch ein breiteres Angebot suchen, lohnen sich auch die 40 Minuten Autofahrt bis zu den nächstgelegenen Pisten Richtung Engadin. „In einer Stunde ist man in St. Moritz.“

Ein besonderer Geheimtipp der Gastgeberin: Das Agriturismo “Dai Camuscin“. Ein junges Paar bewirtschaftet im Valle del Drogo in der Sommersaison den kleinen Hof. „Von Chiavenna aus kann man noch ein gutes Stück mit dem Auto fahren, dann wandert man noch eine halbe/dreiviertel Stunde.

Angekommen wird man von den Gastgebern mit Hausgemachtem verwöhnt. Den eigenen Bergkäse kann man auch direkt vor Ort kaufen. „Ganz einfach, aber deshalb umso mehr besonders!“

Das umliegende Tal zu Füßen des Splügen bietet außerdem noch weitere tolle Wanderstrecken, zum Beispiel zum Lago Truzzo.

Ein weiteres Highlight Richtung Splügen findet man in der kleinen Gemeinde Fraciscio. „Das La Genzianella sieht aus, als wäre es einfach nur eine Bar – aber man isst dort fantastisch.“ In der Umgebung lässt es sich ebenfalls toll wandern, verrät Carolin, zum Beispiel zum Rifugio Chiavenna am Lago Anteloga.

Wilder Westen

Das Valbodengo, westlich von Chiavenna, empfängt mit einer kaum besiedelten, traumhaften, wilden Landschaft. Neben „wilden“ Sportangeboten, wie Canyoning, gibt es in dem Tal viel zu entdecken.

„Almen, die keiner kennt, man begegnet fast nur Einheimischen und es gibt Stellen zum Schwimmen – die muss man aber kennen“, berichtet Carolin. Ihren Gästen verrät sie natürlich gerne, wo sich diese befinden.

Apropos Baden – zwischen Chiavenna und Comer See liegt der Lago di Mezzola. Vergleichsweise ist das Gewässer ruhig gelegen, da es sich in einem Naturschutzgebiet befindet.

Wer ein paar ruhige Bahnen schwimmen oder ein wenig Strand-Flair erleben möchte, ist hier also genau richtig. Vor allem von Herbst bis Frühjahr kann man hier auch wunderbare kleinere Wanderungen oder größere Spaziergänge unternehmen. Von Chiavenna erreicht man den See in 20 Minuten.

Unser Fazit: Authentisches Italien in seiner reinsten Form!

Eine echte Schatzkiste für Individualisten. Kein Wunder also, dass nahezu jeder begeistert schwärmt, der einmal hier war. Überlegen Sie es sich also gut, bevor Sie sich verlieben!


Lea Biermann

Lea Biermann

Redaktion

Seit vielen Jahren schreibt Lea für Redaktionen & Unternehmen.
Bei Glücksmomente Charmingplaces erzählt Lea am liebsten über Menschen und ihre Leidenschaft, sowie Bücher oder Filme, die direkt ins Herz gehen.

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