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Entdecken Sie Arne Jacobsens Architekturperlen am Inselstrand – unser Kulturtipp Ostsee
Header-Bild für unseren Kulturtipp Ostsee: Gesamtkunstwerke Burgtiefe Fehmarn © Jan Dimog
Arne Jacobsen (1902-1971) galt als leidenschaftlicher Gestalter und kompromissloser Ästhet. Die Entwürfe des gebürtigen Kopenhageners waren Gesamtkunstwerke, die er bis ins Detail perfektionierte. Sein Stil war vom modernen Funktionalismus, der Bauhaus-Bewegung und Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier beeinflusst. Sechs Jahrzehnte lang prägte Jacobsen maßgeblich die dänische Architekturlandschaft und schuf visionäre Gebäude, die mehr als 50 Jahre später noch modern und zukunftsweisend wirken.
Populärer als sein architektonisches Werk machten den Pfeife rauchenden Perfektionisten jedoch seine Arbeiten als Produktdesigner. Skulpturale Sitzmöbel wie der „Egg Chair“ oder der dreibeinige „Ant Chair“ haben Designgeschichte geschrieben und werden nach wie vor produziert. So auch die Formholzstühle der Serie 7, die sich seit den Fünfzigerjahren zur meistverkauften Stuhlserie weltweit entwickelt hat.
Burgtiefe Fehmarn: Fernblick hoch siebzehn
In Deutschland hat Arne Jacobsen zusammen mit seinem Kollegen und Landsmann Otto Weitling die meisten Bauten außerhalb Dänemarks realisiert. Unter diesen acht Projekten nimmt die Feriensiedlung auf Fehmarn allein schon wegen ihrer Dimension eine Sonderstellung ein. 55 Hektar umfasst die Anlage, die zwischen 1968 und 1972 auf einer Landzunge im Südosten der Insel entstand.
In den 1960er Jahren boomte der Tourismus, viele Ostseebäder erhöhten ihr Bettenangebot durch große Feriensiedlungen. Mit der Eröffnung der Fehmarnsundbrücke 1963 brach auch für die drittgrößte Insel Deutschlands eine neue Zeit an. Die neue Verkehrsanbindung ans Festland erleichterte Feriengästen die Anreise nach Fehmarn. Unter der Leitung des deutschen Architekten Egon Eiermann wurde ein Ideenwettbewerb für eine Feriensiedlung am Südstrand ausgeschrieben, aus dem der Entwurf der dänischen Baumeister als Sieger hervorging.
Ihr überzeugendes Konzept: Ein behutsames Einbetten der Wohngebäude in die Landschaft und die Gestaltung attraktiver Begegnungsorte. Zwischen den vorgesehenen Apartmentwohnungen, Bungalows und Hotelhäusern planten die Architekten öffentliche Gebäude als verbindende Elemente: das Haus des Gastes, das Kurmittelhaus und ein Meerwasserwellenbad.
Arne Jacobsen pflegte eine lebenslange Leidenschaft für Botanik. Seine Sensibilität für die umgebende Landschaft spiegelte sich in seinen architektonischen Werken wider. Auf Fehmarn drückt sich dieser Ortsbezug unter anderem in der Anordnung der Gebäude aus. Offenheit und Weite spielen im Lageplan ebenso eine Rolle wie die mäandrierenden Formen des Meeres. Durch die Höhenstaffelung der Bauten ist der Ostseeblick in allen Wohneinheiten gewährleistet. Auf der Westseite der Landzunge befinden sich in vorderster Reihe eingeschossige Bungalows, dahinter die dreigeschossigen Apartmenthäuser und zuhinterst die fünfstöckigen Wohnblöcke.
Östlich der Gemeinschaftsgebäude ragen die drei IFA-Fernblickhäuser in den Himmel. Die siebzehngeschossigen Hoteltürme waren ursprünglich mit nur vier Etagen geplant, doch das Baukonsortium drängte damals auf maximale Flächenausnutzung und Wirtschaftlichkeit. Auch wenn die Architekten versucht haben, den massiven Baukörpern durch scheibenförmige Elemente Leichtigkeit zu verleihen, wirken die Hochhäuser wie Fremdkörper in der flachen Insellandschaft.
Manchen Inselbewohnern und Feriengästen, die heimelige Reetdach-Gemütlichkeit suchen, sind sie ein Dorn im Auge. Vielleicht ziehen sie mit ihrer vertikalen Dominanz derart die Blicke auf sich, dass die feine Eleganz und die ausgewogenen Proportionen der anderen Bauten allzu oft übersehen werden.
Arne Jacobsen: „Proportion ist das Entscheidende“
Dies mag mit ein Grund sein, warum die Arne-Jacobsen-Siedlung trotz des seit 2004 bestehenden Denkmalschutzes teilweise verfällt. Besonders das Haus des Gastes ist stark sanierungsbedürftig. Seit Jahren steht es leer; ein Abriss wurde diskutiert, die Idee aber wieder verworfen. Zum Glück, denn auch hier steckt die Handschrift des genialen Architekten in jedem Detail.
Das benachbarte Meerwasserwellenbad wurde dank seines spektakulären hängenden Pultdachs bereits 1991 unter Denkmalschutz gestellt. Wie man hier sehen kann, lotete Arne Jacobsen sowohl in seinen Architektur- als auch in seinen Designentwürfen immer wieder die Grenzen des Machbaren aus. Das kreative Multitalent war seiner Zeit oft voraus. Beharrlich suchte und fand er neue Lösungen, antizipierte zukünftige Entwicklungen und setzte Trends.
Selbst wenn die Fassaden in Burgtiefe heute Patina angesetzt haben und der Hauch des Vergänglichen die weitläufige Anlage durchweht – Jacobsens Gespür für Proportion und Form hat ungebrochene Strahlkraft. Durch die Kombination einer rationalen Ästhetik mit lebendigen Materialien besitzt seine Architektur trotz ihrer formalen Strenge eine menschliche Ausstrahlung. Der Mensch und seine Bedürfnisse standen stets im Mittelpunkt seines Schaffens.
Gemeinsam mit Otto Weitling hat Arne Jacobsen auf der Sonneninsel Fehmarn ein architektonisches Erbe hinterlassen, das besuchens- und erhaltenswert ist. Sollten Sie sich für eine Übernachtung in den Fernblicktürmen entscheiden, welche als Dreisternehotel von der IFA Hotel und Touristik AG betrieben werden, tröstet Sie der Meerblick hoffentlich darüber hinweg, dass die Inneneinrichtung alles andere als stilecht ist. Bei diesem Projekt konnte sich Jacobsen nicht, wie in seinem berühmten SAS Hotel in Kopenhagen, bis zum Entwurf des Essbestecks verwirklichen.
Dennoch ist seine Liebe zum Detail auch hier unverkennbar. Die manuell verstellbaren Lamellen der Balkone sind ein raffiniertes Element, das die Hochhausfassade auflockert und immer wieder anders erscheinen lässt. Bei geöffneten Lamellen wird der Blick aus den raumhohen Zimmerfenstern förmlich aufgesogen vom Meer. Die Architektur schafft ein Passepartout für die Naturwahrnehmung. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was dem Architekten am Herzen lag.
Unser Kulturtipp Ostsee zum Nachlesen
Hoffentlich konnte ich Sie mit unserem Architekturexkurs an die Ostsee für den skandinavischen Mid-Century-Stil begeistern. Wenn Sie mehr über Arne Jacobsens Wirken in Deutschland erfahren möchten, empfehle ich Ihnen das Buch „Gesamtkunstwerke“ von Henrik Bohle und Jan Dimog. Der Katalog zur Wanderausstellung, die anlässlich des Deutsch-Dänischen Kulturellen Freundschaftsjahres 2020 entstand, stellt sieben Projekte des Architektenduos Jacobsen-Weitling in Deutschland vor. Möglicherweise sogar in Ihrer Nähe?
Buchtipp Ostsee
Hendrik Bohle / Jan Dimog (Hg.)
GESAMTKUNSTWERKE
Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland
Arnoldsche Verlagsanstalt 2021
248 Seiten, 170 Abbildungen
Klappenbroschur, 20,5 x 28 cm
Deutsch / Englisch
Mareike Dietrich
Textgestalterin – Autorin
Als Innenarchitektin und Texterin gestaltet Mareike Ideen, Räume und Sprache. Für Glücksmomente Charmingplaces berichtet sie über alles, was ihr am Herzen liegt und sie selbst glücklich macht.
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